Auf einen Blick
Donald Trump (78) und Notre-Dame: Das hätte böse enden können. Als die französische Kathedrale am 15. April 2019 plötzlich lichterloh in Flammen stand, meldete sich der damalige US-Präsident per X zu Wort und empfahl, den Brand mit «fliegenden Wassertanks» zu löschen.
Zum Glück hat keiner auf den Republikaner gehört. Die Kirche wäre laut Experten «kollabiert». Die Wiedereröffnungsfeier für rund 3000 geladene Gäste am Samstag, an der Trump teilnimmt, hätte nie stattgefunden. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (46) hätte eine Chance weniger, den mächtigen Mann aus Übersee einmal mehr diplomatisch zu verführen.
Genau das ist Macrons Ziel. Die pompöse Einweihung des restaurierten Sakralbaus aus dem 12. Jahrhundert dient als Kulisse für eine politische Propagandaaktion, die nur Macron so hinbekommen kann. Monsieur Le Président ist vielleicht der einzige Mensch der Welt, der Trump von seinem gefährlichen Europakurs abbringen kann. Und so soll das gehen.
Macron weiss ganz genau, wie man den in Statussymbole vernarrten Republikaner an Bord holt: weniger mit gescheiten Ansprachen, mehr mit Pomp und symbolischen Gesten. Schon 2017, während Trumps erstem Amtsjahr als US-Präsident, lud Macron den Amerikaner am französischen Nationalfeiertag als offiziellen Ehrengast zur Militärparade auf die Champs-Élysées. Nicht, ohne den Fast-Food-Liebhaber am Abend zuvor zu einem exklusiven Sechs-Gang-Dinner auf dem Eiffelturm einzuladen.
Trumps Drohkulisse für den «guten Freund»
Trump war beeindruckt. Der 29-Sekunden-Handschlag der beiden «guten Freunde» auf der sommerlichen Prachtstrasse ging um die Welt. «Er liebt es, meine Hand zu halten», gab Trump danach der «New York Times» zu Protokoll.
Im April 2018 revanchierte sich Trump bei Macron mit einer Einladung ins Weisse Haus. Macrons dreitägiger Besuch war der einzige offizielle Staatsbesuch während Trumps gesamter Amtszeit. Alle anderen Staatsoberhäupter durften «nur» zu deutlich weniger pompösen «working visits» vorbeischauen.
Die Einladung zur Wiedereröffnung der Notre-Dame ist das jüngste Kapitel in der weltpolitischen «Bromance» zwischen dem 47. US-Präsidenten und seinem französischen Gastgeber, der gerade einmal zehn Tage älter ist als Trumps ältester Sohn Donald Junior (46). Macron weiss, dass der Weg zu Trumps Ohr über solche Events führt. Wer ihm seine Ideen über bilaterale Beziehungen, Handelszölle oder vielleicht sogar über Strategien zur Beendigung des Ukraine-Kriegs verklickern will, tut das am besten als vermeintlich nebensächliche Garnitur zu einem exklusiven Sonderevent.
«Macron mag es, Menschen zu verführen», urteilt der französisch-amerikanische Autor Romuald Sciora im Magazin «Connexion France». «Als er auf US-Präsident Trump traf, unternahm er alles, um ihn für sich zu gewinnen. Und es hat funktioniert.» Den Schmusekurs mit dem Republikaner will Macron ganz offenkundig weiterführen. Er war der erste westliche Staatschef, der Trump (schon vor der offiziellen Bekanntgabe des Resultats) zur Wiederwahl gratuliert hat.
Es wird diesmal viel Pomp und Geschmuse brauchen, um Trump für Macrons Anliegen weichzukriegen. Trump hat im Wahlkampf laut über neue Zölle auf französische Produkte wie Wein und Käse nachgedacht (und dabei Macrons starken französischen Akzent nachgeäfft). Neue Zölle auf französische Kassenschlager wären das Letzte, was der politisch angeschlagene Macron jetzt brauchen kann. Nach dem Misstrauensvotum gegen seinen Premier Michel Barnier steht Monsieur Le Président derzeit ohne entscheidungsfähige Regierung da.
Den grössten Knackpunkt für Trump und Macron aber stellt die Ukraine dar. Punkto Putin liegen die beiden Männer weit auseinander. Trump zielt mutmasslich auf einen schnellen Friedensdeal ab, auch wenn die Ukraine dafür grosse Teile der besetzten Gebiete an Russland abtreten müsste. Macron setzt sich lautstark für eine massive militärische Aufrüstung und einen kompletten Rauswurf der Russen aus dem ukrainischen Territorium ein.
Kommt Selenski ebenfalls nach Paris?
Ein spannender Diskussionspartner wäre da natürlich der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (noch so ein 46-Jähriger), der ebenfalls zur Wiedereröffnung der Notre-Dame-Kathedrale geladen ist, sich aber nicht offiziell angemeldet hat. Dabei wäre die Bühne vor dem christlichen Architekturwunder perfekt, um den Bibel-Fan Trump (er hat im Wahlkampf Sonderausgaben für 59 US-Dollar verkauft) von der Notwendigkeit des Kampfs gegen das teuflische Putin-Regime zu gewinnen.
Ob mit oder ohne Selenskis Zutun: Macron wird am Wochenende in Paris alle Register ziehen müssen, um dem baldigen US-Präsidenten politische Zugeständnisse abringen zu können. Ein 29-Sekunden-Handschlag dürfte angesichts der sich rapide verschlimmernden Weltlage diesmal nicht mehr ausreichen.