Die Ukraine hat seit Beginn des russischen Krieges gegen ihr Land noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie sich weitere Waffen von ihren westlichen Alliierten, insbesondere den USA, wünscht. Kiews Liste ist lang, doch ganz oben stehen fortschrittliche Anti-Schiffs-Raketen, um die russische Seeblockade zu überwinden und die feindlichen Kriegsschiffe von den Schwarzmeerhäfen fernzuhalten.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters erfahren hat, arbeitet das Weisse Haus nun auch tatsächlich daran, solche Raketen an die Ukraine zu liefern. Allerdings wird eine solche Lieferung von einigen Hürden erschwert, dazu gehören laut US-Beamten die langwierigen Ausbildungsanforderungen, Schwierigkeiten bei der Wartung und die Befürchtung, dass US-Waffen von russischen Streitkräften erbeutet werden könnten.
Wer macht den ersten Schritt?
Nicht nur die USA, auch andere Länder wären bereit, Raketen des Typs «Harpoon» an die Ukraine zu senden, so ein US-Beamter gegenüber der Nachrichtenagentur. Aber niemand will die erste oder einzige Nation sein, die dies tut, weil sie Reaktionen von Russland fürchten, wenn ein Schiff mit dem Raketentyp «Harpoon» aus ihrem Bestand versenkt wird, so ein weiterer US-Beamte.
Bereits im April appellierte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) an die portugiesische Regierung, dem ukrainischen Militär «Harpoon»-Raketen zu liefern, die eine Reichweite von fast 300 Kilometern haben. Es gibt jedoch mehrere Probleme, die der Ukraine den Zugang zu diesem Raketentyp verwehren. Zum einen stehen nur begrenzt Plattformen zur Verfügung, um die Raketen von Land aus zu starten – eine technisch schwierige Lösung, wie mehrere Beamte erklärten –, da es sich hauptsächlich um seegestützte Flugkörper handelt.
Die «Naval Strike Missile» (NSM) ist ebenfalls eine der Raketen, die sich schon bald in den Händen ukrainischer Truppen befinden könnte. Sie kann, so Reuters, direkt von der ukrainischen Küste aus gestartet werden und hat eine Reichweite von rund 250 Kilometern. Ausserdem ist für den Einsatz lediglich eine 14-tägige Ausbildung erforderlich.
Zudem seien die NSM logistisch weniger schwierig als andere dieses Raketentyps oder andere Flugkörper, da Nato-Mitglieder diese an die Ukraine ausleihen könnten, und Norwegen könnte die erforderlichen Sprengköpfe stellen. Eine weitere Möglichkeit wäre laut den Quellen, dass Norwegen der Ukraine die NSM schenkt. Diese Idee wird gar von norwegischen Parlamentsmitgliedern gestützt.
Ukraine könnte russische Schiffe ausschalten
Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums befinden sich etwa 20 Schiffe der russischen Marine, darunter auch U-Boote, in der Operationszone im Schwarzen Meer.
Bryan Clark, Marineexperte am Hudson Institute, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur, dass 12 bis 24 Anti-Schiffs-Raketen wie die des Raketentyps «Harpoon» ausreichen würden, um russische Schiffe zu bedrohen, und Moskau überzeugen könnten, die Blockade aufzuheben. «Wenn Putin nicht aus dem Schwarzen Meer verschwindet, könnte die Ukraine die grössten russischen Schiffe ausschalten, da sie sich im Schwarzen Meer nirgendwo verstecken können», so Clark.
Russland hat bereits schmerzhafte Verluste auf See erlitten, insbesondere den Untergang des Kreuzers Moskva, des Flaggschiffs seiner Schwarzmeerflotte. Auch rund um die ukrainische Schlangeninsel sollen nach ukrainischen Angaben immer wieder russische Kriegsschiffe beschossen worden sein. (chs)