Frankreich sendet leichte Panzerfahrzeuge des Typs AMX-10RC in die Ukraine, die USA und Deutschland schicken Schützenpanzer. Es scheint, als wären die Bitten des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) endlich erhört worden. Die erste Lieferung westlicher mobiler Panzer ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in der zunehmenden Versorgung der ukrainischen Streitkräfte.
Noch vor wenigen Wochen schienen solche Lieferungen ein Ding der Unmöglichkeit, zu sehr fürchtete man sich im Westen vor den Reaktionen Wladimir Putins (70). Es scheint, als wäre die Angst vor einer Eskalation im Westen verflogen.
Erste Anzeichen dafür gibt es, so ETH-Militärstratege Marcel Berni (34) zu Blick. «Der Westen scheint zunehmend seine Bedenken vor der Eskalationsgefahr von schweren Waffenlieferungen fallen zu lassen.» Dafür gebe es zwei Gründe: Die ukrainischen Erfolge auf dem Schlachtfeld und die vermehrten russischen Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur.
Für das ukrainische Militär bedeuten die gepanzerten Fahrzeuge vor allem eins: eine grössere Schlagkraft und die Möglichkeit, Waffensysteme von der Front abzuziehen und zu warten. Einen Haken gibt es allerdings, so Berni: «Jedes neue Waffensystem muss aber auch versorgt werden. Zudem braucht es Schulungen und Ausbildungen für die Soldaten.»
Ukraine plant «heisse» Frühlingsoffensive
Kyrylo Budanow (37), Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, kündigte im Interview mit «ABC News» an, dass es wahrscheinlich weitere Angriffe auf russisches Territorium geben wird – spätestens im Frühling. Dann werde die Ukraine einen «grossen Vorstoss» planen, im März sollen die Kämpfe laut ihm «am heissesten» werden.
Welche Rolle dabei westliche Waffenlieferungen spielen werden, ist unklar. Niklas Masuhr (29), Strategie-Forscher an der ETH Zürich, betont: «Bis heute verweigern die USA die Lieferung taktischer ballistischer Raketen vom Typ ATACMS, durch die solche Schläge für die Ukrainer deutlich einfacher wären – weshalb Kiew diese seit langem erfolglos fordert.»
Mehr zu Grossoffensiven im Krieg
Fakt ist allerdings, dass eine ukrainische Offensive – im Vergleich zum Herbst oder Winter – tendenziell schwieriger geworden sei, denn: «Russland hat Verteidigungspositionen gebaut und verfügt immer noch über grosse Mengen an Artillerie.» Deshalb sind gepanzerte Fahrzeuge aus dem Westen aktuell noch wichtiger als vor ein paar Monaten.
Attacken funktionieren im Geheimen am besten
Neu sind Angriffe auf russischen Boden nicht. Bereits zu Beginn des Krieges wurden immer wieder russische Ziele angegriffen – Helikopter-Angriffe auf eine Raffinerie in Belgorod, die brennende Krim-Brücke und die jüngsten Attacken auf russische Flugplätze sind nur einige Beispiele.
Bekannt hat sich die Ukraine aber zu kaum einem dieser Angriffe. Das hat auch einen guten Grund, erklärt Berni: «Militärische Operationen, wie sie die Ukraine zurzeit ausübt, sind besonders dann erfolgreich, wenn sie verdeckt erfolgen. Die kryptischen Botschaften aus Kiew sollen den Gegner verwirren und Ungewissheit in den russischen Reihen schüren.» Ob man sich auf ukrainischer Seite auch im Frühling bedeckt geben wird, bleibt abzuwarten. Die Worte Budanows klingen allerdings nicht danach.