Vom Umfang her war es zweifellos ein Grossangriff. 185 Drohnen, 36 Marschflugkörper und 110 Boden-Boden-Raketen schickte der Iran in der Nacht auf Sonntag als Antwort auf den Beschuss des iranischen Botschaftsgebäudes in Damaskus in Richtung Israel. Todesopfer konnten in Israel zum Glück vermieden werden – dank des israelischen Abwehrsystems Iron Dome und möglicherweise durch den Umstand, dass die Iraner die USA und mehrere Staaten in der Region über den bevorstehenden Angriff informiert hatten.
Der Architekt hinter dem Schlag ist Amir Ali Hadschisadeh (62), Kommandeur der Luft- und Raumfahrtabteilung der iranischen Revolutionsgarden (IRGC). Die Streitkräfte des Iran bestehen aus der regulären Armee und den Revolutionsgarden, die dem obersten Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei (84), direkt unterstellt sind. Hadschisadeh steht bereits seit 2009 an der Spitze der IRGC-Luftwaffe. Kein anderer war so lange der Chef der Abteilung wie er.
Er begann als Scharfschütze
Hadschisadeh wurde 1962 in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren. Seine Eltern stammen aus der nordwestlich von Teheran gelegenen Grossstadt Karadsch. Hadschisadeh hat einen Master-Abschluss in Management und trat nach der Islamischen Revolution 1979 und dem Ausbruch des Iran-Irak-Krieges den Revolutionsgarden bei.
In den Rängen der Revolutionsgarden betätigte sich Hadschisadeh zunächst als Scharfschütze. Während des Krieges stieg er zum Chef der Artillerieabteilung und zum stellvertretenden Kommandeur der Boden-Boden-Raketen auf. In dieser Zeit lernte Hadschisadeh auch einen Mann kennen, der sein Leben verändern sollte: Hassan Tehrani Moghaddam (†52), Vater des iranischen Raketenprogramms und Vertrauensmann von Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini (†86).
Import von Raketentechnologie aus Nordkorea
Als der Iran Mitte der 1980er-Jahre von Libyen Scud-B-Raketen erwarb, beauftragte Moghaddam Hadschisadeh mit der Schaffung der entsprechenden Einheit, die von der syrischen Armee für den Raketentyp ausgebildet wurde. Von da an trat Hadschisadeh nach und nach in die Fussstapfen von Moghaddam. Der Vater des iranischen Raketenprogramms blieb bis zu seinem Tod bei einem Bombenanschlag im Jahr 2011 Hadschisadehs Mentor.
Hadschisadeh wird auch eine wesentliche Rolle beim Import von Raketentechnologie aus Nordkorea nachgesagt, der es dem Iran ermöglichte, das Programm auszubauen und selber Raketen zu entwickeln und herzustellen. Heute verfügt das Land über ein riesiges Arsenal an Raketen, darunter auch solche mit einer Reichweite von 2000 Kilometern, die Israel vom Iran aus erreichen können. «Der Grund, warum wir unsere Raketen mit einer Reichweite von 2000 Kilometern entwickelt haben, ist, dass wir in der Lage sind, unsere Feinde aus einer sicheren Entfernung zu treffen», erklärte Hadschisadeh einst bei einer Übung der IRGC-Luftwaffe.
US-Drohne unbeschadet vom Himmel geholt
Unter der Führung von Hadschisadeh gelang es 2011 zudem, eine amerikanische Drohne des Typs RQ-170 praktisch unbeschadet vom Himmel zu holen. In der Folge erklärte der Iran, die Drohne werde von eigenen Ingenieuren nachgebaut. Dies bildete die Grundlage für die Produktion der iranischen Shahed-Drohne.
Der Tiefpunkt von Hadschisadehs Karriere war im Frühjahr 2020, als er zugeben musste, dass eine seiner Einheiten für den Abschuss der ukrainischen Boeing 737-800 in der Nähe von Teheran verantwortlich war, der 176 Menschen das Leben gekostet hatte. Der damalige US-Präsident Donald Trump (77) hatte wenige Tage vor dem Drama die Tötung des iranischen IRGC-Generals Qassem Soleimani (†62) bei einem gezielten Drohnenschlag befohlen. Als Reaktion darauf griff der Iran US-Militärbasen im Irak an. Todesopfer gab es dabei keine. Noch am selben Tag kam es allerdings zu dem schrecklichen Zwischenfall mit der ukrainischen Boeing bei Teheran.