Wegen möglicher Verstösse gegen die Rechtsstaatlichkeit muss sich Ungarn als erstes Land einem Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln stellen. Dies kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag im Strassburger Europaparlament an.
Ihre Behörde werde den ersten Schritt des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus unternehmen. Die EU-Kommission habe die ungarischen Behörden darüber am Dienstag informiert. «Bei Ungarn, wir haben uns sehr klar ausgedrückt, ist das Problem Korruption», sagte von der Leyen. Man sei derzeit nicht in der Lage, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Budapest kann sich zu Vorwürfen noch äussern
Im Parlament erntete von der Leyen für ihre Ankündigung Applaus. Damit Ungarn tatsächlich EU-Mittel gekürzt werden, bedarf es im letzten Schritt noch der Zustimmung von mindestens 15 der EU-Staaten mit 65 Prozent der EU-Bevölkerung. Vorher hat Budapest mehrfach die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äussern.
Der sogenannte EU-Rechtsstaatsmechanismus ist seit Anfang 2021 in Kraft. Er soll dafür sorgen, dass Verstösse gegen rechtsstaatliche Prinzipien wie die Gewaltenteilung nicht mehr ungestraft bleiben, wenn dadurch ein Missbrauch von EU-Geldern droht.
Klagen von Ungarn und Polen abgewiesen
Polen und Ungarn sahen sich besonders im Fokus des Instruments und klagten deshalb dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof. Dieser wies die Klagen im Februar jedoch ab. Beide Staaten bekommen jährlich Milliarden aus dem Gemeinschaftsbudget.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban dürfte sich in seinem Kurs allerdings bestärkt fühlen. Seine rechtsnationale Fidesz-Partei gewann am Sonntag deutlich die Parlamentswahl. Sie kam auf 53 Prozent der Stimmen und sicherte sich damit das vierte Mal in Folge eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Das Europaparlament macht schon seit langem Druck auf die EU-Kommission, den Rechtsstaatsmechanismus auszulösen. Die Behörde betonte jedoch stets, auf das EuGH-Urteil warten zu wollen. Dadurch sei kein Fall verloren gegangen, sagte von der Leyen auch am Dienstag. Das Parlament verklagte die EU-Kommission wegen ihrer Zögerlichkeit sogar vor dem EuGH – das Verfahren läuft noch. (SDA)