Vom freiheitsliebenden Studenten zum Autokraten
Viktor Orban bleibt weiter an der Macht in Ungarn

In Ungarn hat die rechtskonservative Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban die Parlamentswahl mit überraschend deutlichem Vorsprung gewonnen. Heute gilt er als autoritärer Herrscher. Aber das war nicht immer so. Einst forderte er freie Wahlen. Ein Rückblick.
Publiziert: 04.04.2022 um 09:07 Uhr
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Viktor Orban bleibt Chef von Ungarn.
Foto: keystone-sda.ch

Wegen seiner Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin (69) geriet Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (58) zuletzt heftig unter Druck. Trotzdem dürfte der dienstälteste Regierungschef in der Europäischen Union sich an der Macht halten können. Bei der Parlamentswahl am Sonntag kam Orbans rechtsnationalistische Fidesz-Partei nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen auf 53 Prozent und lag damit deutlich vor dem Oppositionsbündnis mit 35 Prozent.

Die Opposition befürchtet eine Zementierung seiner «illiberalen» Demokratie. Orban steht nach einer ersten Amtszeit zwischen 1998 und 2002 seit 2010 ununterbrochen an der Spitze der ungarischen Regierung. Der Rechtspopulist ist damit der dienstälteste Regierungschef eines EU-Landes.

Als 26-jähriger Student hatte Orban 1989 kurz vor dem Fall des «Eisernen Vorhangs» freie Wahlen und den Abzug der sowjetischen Armee aus Ungarn gefordert. 1998 gewann der ehemalige Dissident die Parlamentswahl und wurde mit 35 Jahren Regierungschef. Vier Jahre später verlor er die Wahl knapp.

Aufnahme von Flüchtlingen abgelehnt

Orban machte sich früh einen Namen als politisches Naturtalent mit Gespür für populäre Themen. Die von ihm mitgegründete Fidesz-Partei rückte er immer weiter nach rechts. Nach acht Jahren in der Opposition gelang ihm 2010 schliesslich die Revanche über die regierenden Sozialisten. Er liess das Wahlgesetz zugunsten von Fidesz ändern und gewann die Wahlen 2014 und 2018 jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit.

Orban präsentiert sich seitdem als Verfechter einer «illiberalen» Demokratie und Verteidiger eines «christlichen Europas». In der Flüchtlingskrise 2015 lehnte er die Aufnahme von Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika ab. An den Grenzen zu Serbien und Kroatien liess er Stacheldrahtzäune errichten.

Mit einem umstrittenen LGBTQ-Gesetz, das «Werbung» für Homo- und Transsexualität verbietet, löste er international Empörung aus. Zugleich weitete er seinen Einfluss auf die Justiz und die Medien aus.

Nähe zur rechtspopulistischen Politikerin gesucht

Mit den EU-Institutionen, die er als «technokratische Elite» schmäht, liegt der 58-jährige Regierungschef seit Jahren über Kreuz. Stattdessen näherte er sich China an und suchte die Nähe zu rechtspopulistischen Politikern wie dem früheren US-Präsidenten Donald Trump (75), Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro (67) oder der französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen (53) – und lange auch zu Kreml-Chef Wladimir Putin (69).

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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine inmitten des Wahlkampfes kam für Orban ungelegen. Doch der erfahrene Regierungschef wusste auch diese Krise kommunikativ für sich zu nutzen.

Der Opposition warf er «Kriegshetze» vor

Zwar trug Orbans Regierung die EU-Massnahmen zugunsten Kiews offiziell mit und erklärte sich auch zur Aufnahme zahlreicher Kriegsflüchtlinge aus dem Nachbarland bereit. Zugleich beharrte der Regierungschef aber auf einer neutralen Position in dem Konflikt - Waffenlieferungen an die Ukraine über ungarisches Staatsgebiet etwa untersagte er. Der Opposition warf er «Kriegshetze» vor.

Orbans Regierung habe es geschafft, die Debatte über den Ukraine-Krieg auf die Frage zu reduzieren: «Sollte Ungarn in den Krieg verwickelt werden oder nicht», sagt der Politik-Experte Bulcsu Hunyadi vom unabhängigen Institut Political Capital. Diese Botschaft habe sich in den vergangenen Wochen als «viel effektiver erwiesen als die Kritik der Opposition an der Regierung». Der Appell des Oppositions-Spitzenkandidaten Peter Marki-Zay an die Wähler, sich «zwischen Putin und Europa» zu entscheiden, verfing nicht. (AFP)

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