«Wir sind gegen Nazismus, sie sind es nicht.» Mit Botschaften wie diesen hetzt der Kreml jetzt gegen Schweden. Aufgetaucht ist der Satz in Moskau auf einem Plakat der Organisation «Unser Sieg», wie der Bayerische Rundfunk berichtet.
Drei schwedische Persönlichkeiten werden auf dem Poster als Nazis verunglimpft und damit zur Zielscheibe der neuesten Propaganda-Aktionen des Kremls. Der schwedische Militärfachmann Oscar Jonsson entdeckte die Plakate und teilte davon ein Foto auf Twitter.
Denunziert wird unter anderem die Pippi-Langstrumpf-Autorin Astrid Lindgren (1907-2002). «Ich würde lieber für den Rest meines Lebens ‹Heil Hitler!› rufen, als Russen hier in Schweden zu haben», wird die Kinderbuchautorin mit einem Tagebuch-Auszug von 1940 zitiert.
Lindgren als Nazi-Befürworterin war einmal
Was auf dem Plakat aber nicht geschrieben steht: Lindgrens Zitat wurde enorm verkürzt. Seit längerem ist bekannt, dass die Autorin keineswegs eine Unterstützerin der Nazis war. Sie soll gar bedauert haben, dass niemand den Machthaber Adolf Hitler (1889-1945) erschiessen konnte.
Wie die meisten Schweden befürchtete sie die Übermacht der Stalin-Herrschaft. Diese Furcht führte zu dem oben genannten Zitat, dem aber folgender Satz vorausging: «Und ein geschwächtes Deutschland könnte für uns im Norden nur eins bedeuten – dass wir die Russen auf den Hals kriegen.»
Sympathie mit Nazis war «grösster Fehler»
Neben Lindgren wurde auch Ikea-Gründer Ingvar Kamprad (1926-2018) und Regisseur Ingmar Bergman (1918-2007) Sympathien für den Nationalsozialismus unterstellt. So stand auf dem Plakat, dass Kamprad Hitler bewundert habe und sich Bergman ein Foto von Hitler über das Bett gehängt haben soll, da er ihn «so fest geliebt» habe.
Nicht nur Lindgren, auch Kamprad und Bergman stellten in der Vergangenheit jedoch mehrfach richtig, dass ihre anfänglichen Sympathien für die Nazis keineswegs mehr der Realität entsprechen würden. «Ich kann auch heute nicht begreifen, wie man noch mit den Nazis sympathisieren kann», sagte Bergman in einem Interview von 1999. Ikea-Gründer Kamprad bezeichnete seine Nazi-Befürwortung als «grössten Fehler».
Russland rügt Schweden wegen möglichem Nato-Beitritt
Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine schreckt der Kreml nicht davor zurück, seine Gegner als «Nazis» zu bezeichnen. So begründet der russische Präsident Wladimir Putin (69) seine sogenannte «Spezialoperation», wie er den Krieg nennt, auch mit der «Entnazifizierung» der Ukrainer.
Seitdem die Schweden mit dem Gedanken spielen, der Nato beizutreten, sind auch sie in den Fokus des Kreml-Chefs geraten. Sogar die Juden sind nicht vor Nazi-Unterstellungen sicher. So behauptete Aussenminister Sergei Lawrow (72) im italienischen Fernsehen, dass Hitler «jüdisches Blut» gehabt haben soll und sorgte damit in Israel für grosse Empörung.
Vorwürfe sind «völlig inakzeptabel»
In Schweden stiess die russische Plakat-Kampagne auf Unverständnis. Schwedens Premierministerin Magdalena Andersson (55) bezeichnete die Vorwürfe als «völlig inakzeptabel». Da Russland allen Ländern, die das Vorgehen Putins kritisieren, «Nationalsozialismus» vorwerfe, werde man mit der russischen Organisation den Dialog nicht suchen, wie das schwedische Aussenministerium mitteilte.
Auch im Netz löste die russische Propaganda-Aktion für Aufruhr. «Dann werden die Russen ja bald da sein und uns vor den Nazis schützen», so ein Kommentator. «Jetzt ist also das nächste blau-gelbe Land an der Reihe, das von Putin entnazifiziert wird», spottete ein anderer Nutzer. (dzc)