Was passiert, wenn die Wirtschaft kollabiert?
Die Chinesen kaufen keine Autos mehr – das ist ein schlechtes Zeichen

Während die Welt gerade eben die Inflation besiegt hat, kämpft China mit dem Gegenteil: der Deflation. Es entsteht eine teuflische Wirtschafts-Spirale, die nicht nur für China gefährlich werden kann.
Publiziert: 04.08.2023 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2023 um 12:45 Uhr
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Der chinesischen Wirtschaft geht es nicht gut.
Foto: AFP
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Die Chinesen wollen keine Autos mehr kaufen. Nur noch 1,73 Millionen Autos wurden im Juli verkauft. Das ist ein Rückgang von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie der Branchenverband PCA am Mittwoch mitteilte. Bereits im Juni hatte der Markt ein leichtes Minus verzeichnet. Für eine Wirtschaft, die seit Jahren nur Wachstum kennt, ist das eines von vielen Warnzeichen, dass etwas nicht stimmt.

Was ist los in China?

Die chinesische Wirtschaft ist kurz davor, den Kampf gegen die Deflation zu verlieren. Die Preise sinken, die chinesische Bevölkerung bleibt trotzdem kauf-faul – und spart das Geld lieber an. Dadurch sinken die Umsätze und Gewinne der Unternehmen. Die Unternehmen reagieren mit Entlassungen oder stellen erst gar keine neuen Mitarbeiter an. Was wiederum dazu führt, dass die chinesische Bevölkerung kein Geld mehr zum Ausgeben hat – eine teuflische Spirale. In China zeigt sich das besonders gravierend an der hohen Jugendarbeitslosigkeit, die bei mehr als 20 Prozent liegt.

Woher kommen diese Probleme?

Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer davon: Die Corona-Pandemie und Chinas rigoroser Umgang damit. Seitdem sind die Ersparnisse der Haushalte im Verhältnis zum BIP um enorme 50 Prozent gestiegen. Die Finanzmärkte und wahrscheinlich sogar die chinesische Regierung selbst, haben die Bedeutung dieser Probleme unterschätzt, die das Wachstum wahrscheinlich mehrere Jahre lang bremsen werden.

Zudem hat die staatliche Kontrolle der Wirtschaft seit 2015 enorm zugenommen. Der private Verbrauch von Gebrauchsgütern ist gegenüber Anfang 2015 um etwa ein Drittel zurückgegangen.

Wie rettet man sein Land vor der Deflation?

Für eine Nation ist es sehr viel schwieriger, sich aus einer Deflation zu retten, wie aus einer Inflation. Ein erster Schritt wäre die Schaffung neuer Arbeitsplätze – allerdings fehlt den chinesischen Unternehmen ja das Geld dafür.

Die Zentralbanken können dafür den Schritt gehen, die Liquidität (freie Geldreserven) der Banken zu erhöhen. In der Theorie können Banken Kredite zu günstigeren Konditionen zur Verfügung stellen, sobald sie hinreichende Geldreserven von den Zentralbanken erhalten. Dadurch erhalten die Unternehmen die Möglichkeit, durch Investitionen neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Kann sich China irgendwie retten?

Die Situation in China kann als ein Fall von «wirtschaftlichem Long Covid» betrachtet werden. Wie ein Patient, der an dieser Krankheit leidet, hat Chinas Wirtschaft ihre Vitalität nicht wiedererlangt und bleibt träge. Selbst jetzt, da die akute Phase – drei Jahre äusserst strenger und kostspieliger Corona-Massnahmen – beendet ist.

Der Zustand ist systemisch, und das einzige zuverlässige Heilmittel – die glaubwürdige Zusicherung an die chinesische Bevölkerung und die Unternehmen, dass es Grenzen für die Einmischung der Regierung in das Wirtschaftsleben gibt – kann nicht geliefert werden. Allerdings hat es China immer wieder geschafft, seine Wirtschaft zu retten.

Auch jetzt will die Regierung in Peking mit zahlreichen Massnahmen die Nachfrage ankurbeln. So hatte der Staatsrat zuletzt eine Förderung für den Kauf von Elektroautos beschlossen und will den Tourismus ankurbeln. Zudem soll Wohnraum bezahlbarer werden.

Warum macht sich die ganze Welt Sorgen?

China ist ein bedeutender Absatzmarkt für viele Länder, darunter auch die Schweiz. Eine sich verlangsamende chinesische Wirtschaft bedeutet einen Rückgang der Nachfrage nach Produkten aus dem Ausland und schadet damit Unternehmen und Arbeitnehmern, die auf Exporte nach China angewiesen sind.

Schliesslich bezieht die Kommunistische Partei Chinas einen grossen Teil ihrer Legitimität aus dem kontinuierlichen Wachstum der Wirtschaft. Wenn also ein erheblicher wirtschaftlicher Abschwung die Macht der Partei zu schwächen droht, wäre eine wahrscheinliche Folge eine noch aggressivere, nationalistischere Aussenpolitik.

Angesichts des Ukraine-Kriegs, der nachlassenden Konjunktur in den USA und der immer deutlicher werdenden Probleme Chinas steigt das Risiko einer weltweiten Rezession. Wie der Wirtschaftswissenschaftler Kenneth Rogoff (70) von der Harvard University im April warnte, «erhöht ein Zusammenbruch in einer Region die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs in den anderen».

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