Bisher machten selbst die hartgesottensten Bergsteiger im Winter um den K2 einen weiten Bogen. An den Flanken des mit 8611 Metern zweithöchsten Berges der Welt herrschen in dieser Jahreszeit Temperaturen von bis zu minus 60 Grad. Überall gibt es nur Schnee und Eis, zudem bläst ein heftiger, brutal frostiger Wind.
Alle anderen 8000er im Himalaya wurden bereits im Winter bezwungen – nur der K2 noch nie. Wer bei solchen Bedingungen den «Wilden» oder «Killer», wie der K2 auch genannt wird, besteigen will, muss nicht bei Sinnen sein.
Doch dieses Jahr gibt es über 70 Verrückte, die auf vier Expeditionen verteilt das bisher Unmögliche möglich machen wollen. In diesen Tagen sind die Extrem-Kletterer in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad eingetroffen, von wo sie nach Skardu weitergeflogen sind. An Weihnachten geht die rund zwei Monate dauernde Expedition zu Fuss weiter.
Walliserin klettert mit
Die grösste Gruppe ist die kommerzielle Expedition der nepalesischen Bergsteiger-Agentur Seven Summit Treks, bei der 24 zahlende Kunden von 21 Sherpas begleitet werden. Darunter befindet sich, wie es auf der Instagram-Seite der Firma heisst, auch die Walliserin Josette Vallotton (56).
Die aus Fully VS stammende und in Arolla VS lebende Bergführerin hat schon sieben der insgesamt 14 Berge bestiegen, die über 8000 Meter hoch sind. Sie gilt als eine der ersten weiblichen Bergführer überhaupt. Ihre erste Reise ins Himalaya-Gebirge, das sie seit ihrer Kindheit fasziniert, unternahm sie vor 20 Jahren.
Bei den Sherpas hat sie eine Familie kennengelernt, deren Vater 2009 bei einer Expedition von einer Lawine getötet wurde. Heute sammelt sie für die Tochter, damit sie eine gute Ausbildung erhält.
«Ein buntes Aufgebot»
Doch die K2-Expedition von Seven Summit Trek wird in der Fachwelt stark kritisiert. Das französische Bergsport-Magazin «montagnes-magazine.com» schreibt von einer «eigenartigen Expedition»: «Ein unbekannter Deutscher, ein unerfahrener Belgier, ein 60-jähriger Anglo-Kenianer, eine Walliser Bergführerin, die 8000er sammelt, fünf Bergsteiger über 56… das ist nur ein Teil des bunten Aufgebots, das die Agentur Seven Summit Treks zusammengestellt hat, um zu versuchen, die unlösbare Winter-Gleichung des K2 zu lösen.»
Im Preis von rund 35’000 Franken inbegriffen sind genügend Sauerstoff, ein Seilfixierungs-Team, das jeden Schritt des Weges vorbereitet, sowie ein gewisser Komfort im Basislager. Diese Tour soll 62 Tage dauern, davon 37 mit Klettern.
Der polnische Winter-Veteran Jacek Teler prophezeit für die heterogene Truppe grosse Probleme. Das Scheitern von früheren Winter-Besteigungen sei auf schlechte Abstimmung der Teilnehmer untereinander sowie auf aufeinanderprallende Egos zurückzuführen gewesen. Immer wieder sei es in den engen Verhältnissen am Berg zu Streitigkeiten gekommen.
Kommt es zur Katastrophe?
Das kanadische Abenteurermagazin «Explorersweb» titelt sogar: «Kommt es im Winter am K2 zu einer Katastrophe?» Es zitiert Experten, die daran zweifeln, dass die kommerzielle Gruppe den Peak erreichen wird.
Der Italiener Simone Moro (53), der den K2 im vergangenen Jahr zu bezwingen versuchte, sagt: «Die meisten dieser Kunden werden bis zum Basislager kommen und da ein bis zwei Wochen verbringen, wie wahnsinnig leiden und dann nach Hause zurückkehren. Sie werden für den Gesamtpreis nur fünf Prozent der Dienste genutzt haben.»
Der K2 ist 1954 das erste Mal bestiegen worden, und zwar von einem italienischen Team. Bisher standen rund 300 Alpinisten auf dem Berg, davon elf Frauen. 80 Bergsteiger bezahlten ihr Abenteuer am K2 mit dem Leben. Winter-Expeditionen erreichten bisher eine Höhe von maximal 7650 Metern – wie hoch schaffen es die Wagemutigen in diesem Jahr?