Das Wetterfenster ist wieder günstig am Everest. Kolonnen von gut zahlenden Alpinisten wollen sich den Traum von der Gipfelbesteigung erfüllen. Die Sherpas, die nepalesischen Träger, schleppen für ihre Kunden Sauerstoff, Proviant und Notausrüstung auf den Berg. Ohne Sherpas kämen die meisten Alpinisten nicht weit übers Base Camp hinaus.
Sherpa Kami Rita (49) machte seinen ersten Everest-Aufstieg 1994 – und seinen 24. letzte Woche. Er habe nie daran gedacht, einen Rekord aufzustellen. «Hätte ich das gewusst, wäre ich früher viel öfter aufgestiegen», sagte er der BBC. In Kathmandu wurde er als Held gefeiert. Er sei «glücklich, aber erschöpft», sagte er am Flughafen. Und wolle sicher noch ein 25. Mal auf dem Berg stehen.
Zur jährlichen Hochsaison im Mai haben er und die Sherpas den Berg wieder hergerichtet für die Hunderten von Alpinisten, welche die Entschlossenheit haben, den mit 8848 Metern höchsten Punkt der Erde zu erreichen. Dieses Jahr erhielten 41 Teams mit 378 Alpinisten Gipfelbewilligungen. Kami Rita stand am 15. und 21. Mai mit Teams auf dem Gipfel.
Mörderische Arbeit der Sherpas
Die Route ändert jedes Jahr. Sherpas legen Seile, Brücken und Haken an, und sie versorgen die Klettertouristen mit Sauerstoffflaschen und Nachschub. Alpinisten zahlen Zehntausende von Dollars für einen Aufstieg, der für die meisten nicht möglich wäre ohne Sherpas, deren Arbeit bei jedem Wetter schlicht mörderisch ist.
Im April 2014 starben 16 Sherpas in eine Lawine. Sie bereiteten die Route für die Klettersaison vor. Auch unter den insgesamt elf Toten diese Saison ist ein Sherpa. «Ausländer geben dann Interviews und sagen, dass der Everest einfacher ist, oder sprechen über ihren Mut. Aber sie vergessen die Leistung des Sherpas. Sherpas haben viel gekämpft, um es möglich zu machen. Wir leiden», sagte Kami Rita der BBC.
Diese Klettersaison habe es nur kurze Wetterfenster gegeben, meinte ein Expeditionsleiter. «Alle wollten zur selben Zeit hoch.» Mindestens zehn Everest-Alpinisten verloren ihr Leben, darunter auch ein Mitglied einer Schweizer Expedition (BLICK berichtete). Weitere zehn Bergsteiger starben an anderen 8000er-Bergen im Himalaya wie dem Lhotse und dem Annapurna, berichtete die «Himalayan Times».
Noch fit bis 60
In den meisten Fällen ist es nicht möglich, die Verstorbenen zu bergen. Sie werden oben am Berg im ewigen Eis bestattet.
Den Everest-Rekord hat Kami Rita 2017 eingestellt, als er Apa Sherpa überholte, der immerhin 21 Mal auf dem höchsten Berg der Welt stand. Mittlerweile hat Rita, dessen Vater schon als einer der ersten Everest-Sherpas arbeitete, sogar 36-mal einen Achttausender bestiegen, darunter auch den Lhotse und K2.
Trotz all der Gefahren und Negativschlagzeilen um Massentourismus und auch Abfall am Everest: Sherpa Kami Rita hat noch lange nicht genug. «Ich kann noch ein paar Jahre klettern. Ich bin gesund. Ich kann weitermachen, bis ich 60 Jahre alt bin. Mit Sauerstoff ist das keine grosse Sache.» (kes)