Wagner-Söldner packen über die Zustände in der Truppe aus
«Wenn wir zurückweichen, sind wir erledigt»

Die Söldner der Wagner-Gruppe sind für ihre Brutalität auf dem Schlachtfeld bekannt. Auch im Kampf um Soledar mischen sie mit. Nun zeigen Verhörprotokolle gefangen genommener Wagner-Soldaten, wie grausam die Zustände innerhalb der Truppe tatsächlich sind.
Publiziert: 14.01.2023 um 19:53 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2023 um 06:22 Uhr
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Spielten für Russland eine wichtige Rolle bei der Einnahme der Kleinstadt Soledar: Die Söldner der Wagner-Gruppe mit ihrem Chef Jewgeni Prigoschin (4.v.l.).
Foto: TWITTER / RIA

Die russische Wagner-Gruppe macht seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs immer wieder von sich reden. Mit kaum vorstellbarer Brutalität kämpft sie in der Ukraine auf Seiten von Kremlchef Wladimir Putin (70).

Auch im Kampf um die ukrainische Stadt Soledar mischten die Söldner von Wagner mit und spielten eine entscheidende Rolle bei der Einnahme der Kleinstadt durch Russland. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (61) feierte den «Sieg» seiner Truppe mit einem Foto, das ihn in Europas grösster Salz-Mine in Soledar zeigt.

Zudem wies Prigoschin ausdrücklich darauf hin, dass «ausser den Kämpfern von Wagner keine anderen Einheiten an dem Angriff auf Soledar teilgenommen» hätten. Ob es sich dabei um ein echtes oder gestelltes Foto handelt, lässt sich nicht überprüfen.

Diese Aufnahmen sollen Prigoschin in Salzmine bei Soledar zeigen
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Bei Besichtigung:Dieses Video soll Prigoschin in Soledars Salzmine zeigen

Immer mehr Kämpfer aus Russlands Strafkolonien

Lange war über die Zustände innerhalb der Wagner-Gruppe wenig bis gar nichts bekannt. Unterdessen sickern aber immer mehr Informationen durch. Bereits bekannt ist, dass die Söldner-Truppe immer mehr Kämpfer aus russischen Strafkolonien rekrutiert.

Das unabhängige russische Nachrichtenportal «Wir können es erklären» hat nun laut einem Bericht des «Tagesspiegel» Verhörprotokolle von gefangen genommenen Gefängnis-Rekruten veröffentlicht. Unter anderem kommt darin ein gewisser Sergei Vereshchagin zu Wort. Bei ihm handelt es sich um einen verurteilten Doppelmörder, der für Wagner an der Front in Soledar gekämpft hat.

Er sei im vergangenen Dezember nach einem äusserst kurzen Training an einer Kalaschnikow dorthin verlegt worden. Den Rekruten wurde bereits früh eingetrichtert, was passieren würde, sollten sie auf falsche Gedanken kommen. «Man sagte uns, wenn wir zurückweichen, sind wir erledigt», so Vereshchagin. Er habe sich stets an die Order gehalten, denn er habe gewusst, «dass sie mich sonst umbringen».

«Wer zum Teufel seid ihr?»

Ein anderer Gefängnis-Rekrut, der in den Protokollen genannt wird, ist Alexander Drozdov. Auch seine Schilderungen haben es in sich. So sollen er und seine Einheit bei einem Kampf gar von der russischen Armee unter Beschuss gekommen sein – unabsichtlich. Laut Drozdov würden rekrutierte Gefangene nämlich keine Wagner-Uniform tragen und seien auch anderweitig nicht als Söldner zu erkennen.

Deshalb sei es zum Durcheinander auf dem Schlachtfeld gekommen. «Uns wurde befohlen, anzugreifen, aber die ganze Zeit über wurden wir von den Russen beschossen. Wir schrien: ‹Wir sind Russen, wir sind Russen›. Und sie sagten: ‹Wer zum Teufel seid ihr?›».

Drozdovs Ausführungen erlauben zudem einen Blick auf die Organisationsstruktur der Wagner-Gruppe. So würden die Gefängnisrekruten in verschiedene Gruppen eingeteilt. Vergewaltiger und Pädophile werden nicht etwa aufgeteilt, sondern bewusst in eigenen Einheiten zusammengefasst. Zudem gebe es auch die Sturmtruppen, die sogenannten «Rexes». Diese seien Drozdov zufolge «völlig verrückt», denn «es sind alles Junkies.»

Verluste sind «gigantisch»

Russlands Gefängnisse sind voll mit Insassen, die wegen Drogendelikten büssen müssen. Kein Wunder machen diese auch einen Grossteil der Wagner-Rekruten aus. Einige von ihnen, an HIV-Erkrankte beispielsweise, müssen eine rote Binde als Erkennungsmerkmal tragen.

Alles in allem sind die Zustände für Wagner-Söldner also alles andere als rosig. Drozdov zufolge seien die Verluste an der Front «gigantisch». Dazu komme noch, dass Rekruten, die den Marschbefehl missachten, ohne zu zögern von den Kommandanten erschossen würden. (ced)

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