Im Kreuzverhör mit dem kremlnahen Militärblogger Semen Pegow (37) kam Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (61) unter die Räder. Die Nutzung der neuen Rekruten als Kanonenfutter in der Ukraine – inklusive astronomischer Todesrate, Berichte über Hinrichtungen von Söldnern und Prigoschins lautstarke Kritik am russischen Verteidigungsministerium: Der gut vorbereitete Pegow wusste ganz genau, wie er den Söldnerführer ins Schwitzen bringen konnte.
Prigoschins Plan, in dem Gespräch den Kreml zu diskreditieren und seinen eigenen Ruf zu retten, scheiterte kläglich. Zwar konnte er mit seiner Prognose, die Eroberung des Donbass könnte bis zu zwei Jahre dauern, einen Nadelstich setzen. Es wird allerdings immer offensichtlicher, dass der Kreml versucht, den zwielichtigen Geschäftsmann ins Aus zu schiessen.
Zu diesem Schluss kommt die US-Denkfabrik «Institute for the Study of War (ISW)» in einem Lagebericht. Mit allen Mitteln versucht der Kreml, Prigoschins Einfluss zu unterbinden.
Prigoschin in die Defensive gedrängt
Der Kreml hat Prigoschin inzwischen das Recht entzogen, in Gefängnissen zu rekrutieren. In den vergangenen Tagen machte ausserdem die Behauptung eines Wagner-Militärbloggers die Runde, wonach russische Medien in einem Dokument ausdrücklich dazu aufgefordert wurden, in ihrer Berichterstattung über die «Spezialoperation» in der Ukraine Wagner und Prigoschin nicht mehr zu erwähnen. Grund dafür soll die Rivalität zwischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) und Prigoschin sein – und dessen Gefahr für Präsident Wladimir Putin (70).
«Sie wollen ihn anscheinend nicht in die Politik bringen, weil er so unberechenbar ist – sie haben ein bisschen Angst vor ihm», sagte der Putin-freundliche Politologe Sergei Markow (64) jüngst zur «New York Times». Das ISW vermutet in dem Interview gar eine Falle des Kremls. Die russische Öffentlichkeit sollte bewusst auf die schlechten Seiten der Wagner-Truppe aufmerksam gemacht werden, analysieren die Militärexperten.
Als Prigoschin seine Zusage zu dem Interview gab, wähnte er sich vermutlich in der Offensive, bekam er doch die Chance, seinen Namen öffentlich reinzuwaschen. Daraus wurde nichts: Der Mann, der einst als Cateringunternehmer unter dem Namen «Putins Koch» bekannt wurde, fand sich in der Defensive wieder. (nad)