Seit einem Jahr wartet Rom auf Touristen. Jetzt können sie wieder anreisen, denn Italien ist seit Montag weisse Zone und bald schon reicht ein Corona-Impfpass für freie Fahrt. Endlich! Doch wer in diesen Tagen zum Kolosseum, Trevi-Brunnen oder zur Spanischen Treppe will, muss an stinkenden Müllbergen vorbei. Heute ist Feiertag. Morgen wird gestreikt. So mancher Müllmann nutzt die Tage für eine Ferienbrücke. Der Abfall bleibt derweil in der sengenden Sommerhitze liegen. Wieder einmal. Denn seit Wochen wird nur mangelhaft entsorgt.
Wütenden Bürger stecken Container in Brand. Zehn Feuer in einer Woche wurden den Carabinieri gemeldet. Die Flammen griffen auch auf Autos über. Die Rattenplage nimmt zu. Und die bereits vom Lockdown gebeutelte Gastwirtschaft klagt wegen des Unrats vor ihrer Tür. «Jedes zweite Restaurant in der Altstadt ist von Umsatzeinbussen betroffen, weil die Gäste wegen des Mülls wegbleiben. In den Vorstädten leiden sogar sieben von zehn Gastrobetrieben», sagt Claudia Pica, Präsident des römischen Gastro-Verbandes gegenüber Roma Today.
Rom droht wegen mangelnder Hygiene Gesundheitsproblem
Insgesamt türmen sich zurzeit 200'000 Tonnen Abfall in den Strassen Roms. Die Zahl könnte sich innerhalb der kommenden Tage verdreifachen. Denn, so der Geschäftsführer der städtischen Müllentsorgung AMA, Stefano Zaghis, in diesen Tagen würden lediglich 13'800 Tonnen fortgeschafft werden können – 27,5 Prozent weniger als eigentlich vorgesehen. Und definitiv viel zu wenig, um das Müllproblem Roms zu lösen.
Ein Albtraum nennt es Francesco Figliomeni (58), Stadtrat und Politiker der Fratelli d'Italia (Brüder Italiens). Das Szenario erinnere ihn an die Müllberge in Neapel 2008. Andrea Costa (50), Untersekretär in Mario Draghis Gesundheitsministerium, schlägt Alarm: «Rom droht wegen mangelnder Hygiene ein ernsthaftes Gesundheitsproblem.» Seuchengefahr sieht auch der Präsident der italienischen Ärztekammer. «Besonders der Müll vor den Spitälern, den Schulen, den Einkaufszentren, in den Parks und in Wohngebieten sei prekär», sagt Antonio Magi (65).
Es fehlen Müllverbrennungsanlagen
Hintergrund des Übels: Es fehlen Verbrennungsanlagen. Zwei der sechs Einrichtungen der Stadt müssen erneuert werden, haben technische Defekte. Gegen die Verwaltung einer dritten Anlage ermittelt die Staatsanwaltschaft. Sechs weitere Deponien in der Region Lazio sollten ab 1. Juli grosse Mengen des römischen Abfalls übernehmen. Doch schon heute steht fest: Sie sind bereits heute überlastet.
Schon 2019 machte Rom unrühmliche Schlagzeilen mit seinen Müllbergen. Damals kündigte Bürgermeisterin Virginia Raggi (42) einen Superdeal mit Schweden an (Blick berichtete). Roms Müll sollte nach Skandinavien exportiert werden. Das Geschäft platzte. Schweden wollte nur 6000 Tonnen abnehmen. Zu wenig für den langen Transport. Man sei mit der Ukraine und Bulgarien in Kontakt, verspricht Paolo Longoni (66) von der städtischen Kehrichtentsorgung. Diese prüft nun auch, mit Hilfe des Zivilschutzes in dieser Woche wenigstens das Gröbste aus der Stadt zu schaffen.