Was genau ist passiert?
Eine Militärmaschine vom Typ Iljuschin-76 ist nach russischen Angaben zufolge gegen 11 Uhr Ortszeit (9 Uhr MEZ) in der Grenzregion Belgorod abgestürzt. Nicht verifizierte Videos in Onlinediensten zeigten ein grosses Flugzeug, das vom Himmel fällt und dann in einem Feuerball auf dem Boden aufschlägt.
Dem Regionalgouverneur zufolge ereignete sich der Absturz im Bezirk Korotschanski. Ermittler und Rettungsdienste seien vor Ort. Mehreren russischen Medien zufolge stürzte die Maschine in der Nähe des Ortes Jablonowo ab, 45 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
Wer befand sich an Bord?
Nach Angaben aus Moskau befanden sich 65 ukrainische Kriegsgefangenen an Bord. Wie die regierungsnahe Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium berichtete, befanden sich die Ukrainer für einen Gefangenenaustausch auf dem Weg nach Belgorod. Laut RIA Nowosti befanden sich neben den ukrainischen Kriegsgefangenen sechs Besatzungsmitglieder und drei Begleitpersonen an Bord. Nach Angaben der örtlichen Behörden gab es keine Überlebenden.
Laut Informationen aus der Ukraine hatte die Maschine keine Gefangenen, sondern Raketen für das Flugabwehrsystem S-300 an Bord. Was dafür spricht: Laut einem ukrainischen Journalisten, der sich auf die Flugaufzeichnungs-Webseite flightradar24.com bezieht, machte das Flugzeug einen Umweg über den Iran. Dort könnten die Raketen an Bord gebracht worden sein. Offiziell bestätigt ist zur Flugroute bislang aber nichts.
Auch Militäranalysten zweifeln an der Theorie Russlands. Auf der Liste mit den angeblichen Todesopfern, die die Journalistin Margarita Simonjan auf ihrem Telegramkanal veröffentlichte, stehen beispielsweise Kriegsgefangene, die am 3. Januar bereits ausgetauscht wurden. Ausserdem sei laut dem Telegramkanal «Pravda Gerashchenko» zu bezweifeln, dass 65 Gefangene von nur drei Wachleuten begleitet wurden. Für 50 Kriegsgefangene wurden zuvor 20 Konvois geschickt.
Was ist über die Absturzursache bekannt?
Zur Unglücksursache machte das Verteidigungsministerium in Moskau zunächst keine Angaben. Eine Abordnung der Luftwaffe sei zur Absturzstelle unterwegs, «um die Ursachen der Katastrophe zu ermitteln», hiess es. «Wir werden das aufklären», sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (56).
Der Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin (59) macht hingegen die Ukraine und die vom Westen an Kiew gelieferten Waffen verantwortlich. «Sie haben in der Luft ihre eigenen Soldaten getötet, ihre Mütter, ihre Kinder haben auf sie gewartet», sagt Wolodin. «Sie haben unsere Piloten, die eine humanitäre Mission ausführten, mit amerikanischen und deutschen Raketen abgeschossen.»
Die Iljuschin sei «von drei Raketen eines in Deutschland hergestellten Patriot- oder Iris-T-Flugabwehrsystems abgeschossen» worden, sagt Wolodin.
Was sagt die Ukraine zu den Vorwürfen?
«Heute sollte ein Gefangenenaustausch stattfinden, der jedoch nicht zustande kam», teilte der ukrainische Militärgeheimdienst HUR auf Telegram mit. Die gefangenen russischen Soldaten seien rechtzeitig an den vereinbarten Ort gebracht worden. «Gleichzeitig wurde die ukrainische Seite nicht über die Notwendigkeit informiert, die Sicherheit des Luftraums in der Nähe der Stadt Belgorod innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu gewährleisten, wie dies in der Vergangenheit bei zahlreichen Gelegenheiten geschehen war», heisst es weiter.
Weder über die Anzahl der Fahrzeuge, noch über die Routen sei die Ukraine informiert worden. Über ein landendes Flugzeug in der Kampfzone hätte die Ukraine zwingend informiert werden müssen. Ob die Gefangenen an Bord waren, darüber gibt die HUR keine Auskunft. Sie wirft Russland vor, die Situation beabsichtigt zu haben.
Ist es der erste Absturz einer russischen Militärmaschine?
Nein. Seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine hat es in Russland mehrere Abstürze von Militärmaschinen gegeben. Im Oktober 2022 stürzte ein russischer Kampfjet in ein Gebäude in der Stadt Jeisk an der russischen Küste des Asowschen Meeres. Dabei kamen 15 Menschen ums Leben.
Im August 2023, zwei Monate nach dem Aufstand seiner Söldner-Truppe Wagner gegen die russische Militärführung, stürzte das Privatflugzeug mit Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (†62) an Bord auf dem Flug von Moskau nach St. Petersburg ab, westlichen Geheimdiensten zufolge aufgrund einer Bombe an Bord. Neben dem Wagner-Chef starben dabei auch dessen Stellvertreter Dmitri Utkin (†53) sowie acht weitere Menschen.
Die ukrainischen Streitkräfte haben in der Vergangenheit eigenen Angaben zufolge russische Flugzeuge abgeschossen. Vergangene Woche zerstörten sie demnach ein Aufklärungsflugzeug vom Typ A-50 und eine Kommandomaschine vom Typ Il-22.