Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) hat den Ukrainern für 2024 mehr Treffer in russischen Regionen versprochen – und die bekommt er auch.
Am vergangenen Mittwoch erhellten Lichtblitze den Himmel über der russischen Grenzstadt Klinzy in der Oblast Brjansk. Lokale Beamte gaben schnell bekannt, dass von «ukrainischen Terroristen» gestartete Drohnen etwa 20 Kilometer südlich über die Grenze geflogen seien. Es bestehe keine Gefahr, da die ukrainischen Flugobjekte erfolgreich zerstört worden seien. Schäden oder Brände wurden nicht erwähnt.
Bei den Bewohnern von Klinzy sorgte die Entwarnung allerdings nicht für Beruhigung, wie die «Kyiv Post» berichtet. In den sozialen Medien tauchten Posts von wütenden Bürgern auf, die zeigten, dass das «Öldepot» der Stadt brannte – und dass das Feuer alles andere als klein war. Ölige Rauchwolken stiegen über meterhohen Flammen in den klaren, blauen Winterhimmel auf. Ein Treibstofflager des Konzerns Rosneft stand in Vollbrand.
Das russische Verteidigungsministerium spielte den Fall herunter. Eine einzelne ukrainische Drohne habe beim Absturz einen kleinen Brand verursacht. Die Einsatzkräfte hätten das Feuer schnell unter Kontrolle gebracht.
Ukraine übernimmt Kreml-Taktik
Wieder bewiesen die Bewohner von Klinzy in den sozialen Netzwerken mit ihren Posts, dass dies eine Lüge war. Zu deutlich war die Diskrepanz zwischen dem, was Moskau sagte, und dem, was sie vor Ort beobachteten. Neue Bilder des Feuers machten die Runde. «Es wird grösser!», «Schrecklich!» und «Das ist gerade Klinzy!», hiess es in mehreren neuen Beiträgen. Schliesslich mussten die Behörden zugeben, dass das Feuer doch nicht unter Kontrolle war. Erst am Samstag war der Brand endgültig gelöscht.
Vorfälle wie diese sind in Russland keine Seltenheit mehr. Dahinter steckt eine neue ausgeklügelte Strategie der ukrainischen Streitkräfte. Mit gezielten Angriffen, bei denen Langstrecken-Drohnen zum Einsatz kommen und die sich gegen russische Infrastruktur richten, sorgen die Ukrainer für Unmut in der Bevölkerung und decken die Inkompetenz der russischen Luftabwehr auf.
Die Ukraine übernimmt damit eine Taktik des Kremls. Denn: Angriffspläne auf Infrastrukturziele dürften Kremlchef Wladimir Putin (71) und seinem Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68) nur zu gut bekannt sein. Befahlen Sie doch in diesem und den vergangenen Wintern solche Angriffe auf zivile und für die Energieversorgung wichtige Infrastruktur in der Ukraine.
Ukrainer spotten über russische Luftabwehr
Auf den Drohnenangriff in Klinzy folgte am Sonntag ein weiterer auf den Ostseehafen Ust-Luga, der keine zweihundert Kilometer von St. Petersburg entfernt liegt. Ukrainische Drohnen hätten die «für militärische Operationen entscheidende» Hafenanlage vorübergehend ausser Betrieb gesetzt, erklärte ein Sprecher des ukrainischen Inlandsgeheimdiensts SBU der «Kyiv Post». Zeitgleich ereignete sich am Sonntag eine heftige Explosion in der Fabrik Schtschelowski Wal in Tula, dem Herzen der russischen Waffenindustrie. Der Standort soll russische Luftverteidigungssysteme vom Typ Panzir produzieren. Dort werden zudem die Panzer aus der Sowjetzeit für den Einsatz in der Ukraine fit gemacht.
Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, spottete in einem Interview mit dem ukrainischen «Focus»-Magazin über die russische Luftverteidigung. Sie sei an den meisten Stellen dünn gestreut und äusserst verwundbar. Ein Grossteil des russischen Luftraums stelle für die Ukrainer ein «offenes Ziel» dar, in das ukrainische Drohnen nach Belieben eindringen könnten.