Wie sagt man so schön? Besser spät als nie. Ab dem 1. Januar 2024 dürfen auch kosovarische Staatsstaatsbürgerinnen und -staatsbürger ohne Visum in den Schengenraum einreisen. Damit sind lange Schlangen vor der Schweizer Botschaft in Pristina, der Hauptstadt Kosovos, schon bald passé. Ab dann können sie für kürzere Aufenthalte von maximal 90 Tagen ohne ein Visum auch in die Schweiz einreisen.
Klare Worte für diesen Meilenstein findet Përparim Avdili (36), Präsident der Zürcher FDP, mit Familie in Kosovo. «Mit diesem Entscheid wird eine lange Ungerechtigkeit gegenüber dem kosovarischen Volk endlich korrigiert», sagt er zu Blick. Denn der Kleinstaat mit knapp zwei Millionen Einwohnern kommt als letztes Land auf dem Balkan in den Genuss der Reisefreiheit. Aus allen anderen Ländern der Region kann man bereits seit Jahren visafrei nach Berlin, Rom, Paris – oder eben Zürich reisen.
«Dieser Schritt tut der Seele Kosovos gut»
Auch Islam Alijaj (37), frisch gewählter SP-Nationalrat, ist erfreut: «Für mich ist die Visafreiheit ein Symbol dafür, dass das Geburtsland meiner Eltern und seine Menschen endlich die Anerkennung und den Respekt erfahren, den sie für die vielen gesellschaftlichen Fortschritte, die in den vergangenen Jahren erreicht wurden, auch verdienen.» Er ist sich sicher: «Dieser Schritt tut der Seele Kosovos und auch der albanischen Diaspora sehr gut. Denn die allermeisten fühlen sich als Europäer.»
Ebenso begeistert von der Reisefreiheit ist die Sportwelt. So sagt Arnold Gjergjaj (39), Schwergewichtsprofiboxer aus Basel: «Ich denke, es ist gut, dass die Leute aus dem Kosovo sich jetzt freier bewegen und die Schweiz sowie andere Länder einfacher sehen können. So können sie viel Neues dazu lernen.»
Etwas pessimistischer blickt Shpend Ibrahimi (51), CEO von Chair Airlines, auf die Neuerung. Mit seiner Flotte steuert Ibrahimi auch Pristina an. «Das hätte viel früher passieren müssen», betont er im Gespräch mit Blick. «Diejenigen, die unbedingt aus Kosovo ausreisen wollten, haben das schon immer getan.» Auch für sein Business wird die Visafreiheit kaum einen Unterschied machen, ist er sich sicher. «Wir werden maximal einen Impact von zehn Prozent bemerken – wenn überhaupt. Für den Januar haben wir nicht mehr Reisen als üblich verzeichnet.»
Wird das Visum ausgenutzt werden?
Es verwundert nicht, dass, die Neuerung, dass kosovarische Staatsbürger ab dem 1. Januar 2024 kein Visum mehr benötigen, in rechtsbürgerlichen Kreisen die Befürchtung weckt, dass bald zahlreiche Kosovaren illegal in den Schengen-Raum einwandern und auch in der Schweiz schwarz arbeiten.
Auch Valentina Smajli (40) blickt mit «gemischten Gefühlen» auf die Visafreiheit. Sie ist Integrationsfachfrau und Gewerkschafterin aus Luzern. Zu Blick sagt sie: «Einerseits markiert sie einen bedeutenden Schritt in der Emanzipation des Landes und seiner Integration in Europa. Andererseits könnten die Veränderungen Herausforderungen für die Migration und den Arbeitsmarkt mit sich bringen.» Hierbei gilt klarzustellen, dass sich die neue Visafreiheit lediglich auf Reisen mit einer maximalen Dauer von 90 Tagen bezieht – und nicht längere Aufenthalte. Ausserdem dürfen kosovarische Staatsangehörige gemäss Mitteilung nur dann in der Schweiz arbeiten, wenn sie beruflich gut qualifiziert sind und wenn auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt oder in den EU/Efta-Staaten keine gleichwertigen Arbeitskräfte gefunden werden konnten.
Wird es trotzdem Missbrauch geben? Das kann man natürlich nie ausschliessen, ist sich auch FDP-Politiker Avdili bewusst. «Da muss die Schweiz eben konsequent durchgreifen.» Das Staatssekretariat für Migration (SEM) sagt, es habe das im Blick, wie ein Sprecher gegenüber Radio SRF ankündigte. Die Schweiz unterhalte sehr gute bilaterale Beziehungen mit dem Kosovo. «Auch im Bereich der Rückkehr funktioniert die Zusammenarbeit hervorragend, und so können allfällige Probleme rasch angegangen werden», heisst es seitens des SEM.