So heftig ist es zwischen Serbien und dem Kosovo lange nicht mehr eskaliert: Am Sonntag tauchten 30 schwer bewaffnete Männer im serbisch dominierten Nord-Kosovo auf und umstellten das orthodoxe Kloster in der Ortschaft Banjska. Die Milizionäre töteten einen kosovarischen Polizisten. Die kosovarische Polizei erschoss mindestens drei der Angreifer. Am Sonntagabend endete die Krise vorerst.
Kosovos Regierungschef Albin Kurti (48) bezichtigt die serbische Regierung, «Terror-Attacken» gegen den Kosovo durchzuführen. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic (53) hingegen wirft der kosovarischen Regierung vor, sein Volk konstant zu provozieren. Experten warnen, dass mehr hinter dem Angriff stecken könnte. Und auch die Schweiz könnte indirekt in den Konflikt hineingezogen werden.
Vorweg: Die Identität der Angreifer ist nach wie vor ungeklärt. Kurtis Vorwurf, Belgrad habe die Milizionäre entsandt, bleibt Spekulation. Doch selbst wenn die Milizionäre aus dem mehrheitlich von Serben bewohnten Norden Kosovos stammen und nicht direkt aus Serbien angereist sein sollten: Der Angriff der uniformierten Männer in gepanzerten Fahrzeugen erinnert stark an den Einmarsch prorussischer Separatisten 2014 in den Donbass.
Putin will instabilen Balkan
Und genau wie Russlands Präsident Wladimir Putin (70) damals behauptet Serbiens Präsident Vucic jetzt: Wir waren es nicht!
Konrad Clewing, Balkan-Experte am Regensburger Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, mahnt zur Vorsicht bei dieser Aussage: «Die serbische Regierung hat den Aufbau von Extremistenstrukturen in der serbischen Bevölkerung im Norden Kosovos in den vergangenen Monaten unterstützt.» Die Regierung wolle sich als Hüterin der serbischen Nation vor dem eigenen Publikum inszenieren und die internationale Stellung des Kosovo untergraben, sagt Clewing zu Blick.
Ob Putin hier direkt seine Finger im Spiel hat, bleibe Spekulation, betont Clewing. Aber: «Russland ist sehr daran interessiert, Instabilität auf dem Balkan zu verbreiten und die Nato dadurch in ihrem südosteuropäischen Hinterland zu schwächen.» Es sei auch sehr gut möglich, dass russische und serbische Nachrichtendienste die Extremisten unter den Kosovoserben direkt unterstützen.
Eskalationsgefahr gleich null, sagt Experte
Daniel Bochsler, Schweizer Professor für Politikwissenschaft an der Universität Belgrad, sagt zu Blick: «Vucic pflegt gute Verbindungen zu Russland, auch, um den Westen gegen den Kreml ausspielen zu können.» Serbische Milizen hätten den Angriff am Sonntag aber auch ohne russische Unterstützung durchführen können.
An eine weitere Zuspitzung des Konflikts glaubt Bochsler nicht. Eine weitere Eskalation wäre «vor allem ein Krieg von Serbien gegen die Kfor, also gegen Nato-Truppen, natürlich auch mit dem Schweizer Kontingent. Niemand der Beteiligten will das», sagt der Professor.
Schweizer Swisscoy-Einheiten im Kosovo seien vom Angriff am Sonntag nicht betroffen gewesen. Banjska befinde sich ausserhalb des Swisscoy-Einsatzgebietes, erklärt ein Sprecher auf Anfrage.
Schweizer Armeeangehörige könnten Räumungsbefehl erhalten
Die Schweiz könnte jetzt aber dennoch indirekt in den Konflikt hineingezogen werden. Dann etwa, wenn Angehörige der Schweizer Swisscoy-Truppen im Kosovo als Teil des sogenannten Bewegungsfreiheits-Detachements zur Räumung von errichteten Strassensperren im Konfliktgebiet gerufen würden. Die Schweiz unterstützt die Kosovo-Friedensmission der Nato seit 1999 mit eigenen Einheiten. Derzeit sind 195 Swisscoy-Angehörige im Balkanland stationiert.