Seit Monaten ringen US-Präsident Joe Biden (80) und seine Berater mit einer der drängendsten Fragen im Krieg in der Ukraine: Soll man der Ukraine modernere und mächtigere Waffen zur Verfügung stellen – oder nicht? Immer öfter lautet die US-Antwort auf ukrainische Waffen-Wünsche: Nein.
Die USA haben am Freitag zwar die Lieferung umstrittener Streumunition bewilligt. Aber weitere Wünsche der Ukraine bleiben unerfüllt.
Keine Raketen, keine Kampfjets
Weder erlaubt die Biden-Regierung die Ausfuhr der F-16-Kampfjets, noch will sie in naher Zukunft ATACMS-Raketen, um die die Ukraine immer wieder bittet, in das Kriegsgebiet senden. Auch die längst versprochenen Abrams-Panzer sind noch nicht auf dem Schlachtfeld angekommen. Die USA – die als eines der ersten Länder Waffen an die Ukraine geschickt haben und noch immer die grössten Unterstützer des Landes sind – geraten bei den Waffenlieferungen ins Hintertreffen.
USA bremsen Unterstützung
Aber warum die Zurückhaltung? Der portugiesische Politiker und Wissenschaftler Bruno Maçães stellt auf Twitter die These auf: Vielleicht wollen die USA gar nicht, dass Russland im Krieg vernichtend geschlagen wird. Konkret: «Jeder, dessen Meinung ich respektiere, ist der Meinung, dass die USA nicht wollen, dass die Ukraine den Krieg gewinnt. Das ist eine beunruhigende, aber schwer zu vermeidende Schlussfolgerung.»
Unter anderem der ehemalige Nato-Beamte Edward Hunter Christie, sowie der deutsche Politikwissenschaftler Carlo Masala pflichten Maçães bei. «Die USA treten auf die Bremse, weil sie bei einem ukrainischen Sieg den Kollaps Russlands befürchten», vermutet Experte Masala. Denn je mächtigere Waffen die Ukraine zur Verfügung hat, desto wahrscheinlicher wird auch ein deutlicher ukrainischer Sieg auf dem Schlachtfeld.
Was passiert mit Russland?
Was mit Russland passiert, sollte das Land den Krieg verlieren, ist komplett offen. Bereits mit dem Wagner-Aufstand Ende Juni wurde klar: Das «System Putin» bröckelt. Tatsächlich erhöht die Kombination aus einem gescheiterten Krieg im Ausland und einem brüchigen System im Inland die Gefahr einer Implosion der russischen Machtelite mit jedem Tag. Und das wiederum hätte unvorhersehbare Konsequenzen für die Welt.
Dazu kommt die Frage, wie Putin reagiert, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Zwar ist es nur schwer vorstellbar, dass der Krieg, den Russland gerade führt, noch schlimmer werden kann. Doch es bleibt die Angst, dass sich Putin angesichts einer Niederlage zu radikalen Massnahmen hinreissen lässt.
Ukraine braucht weiter Unterstützung
Denn Russlands Elite hat immer wieder klargestellt: Wenn die Ukraine mit westlichen Waffen russisches Territorium angreift, behält sich die russische Regierung jegliche Formen der Eskalation vor.