Es roch nach Tauwetter, als sich Nicolás Maduro (61) und der französische Präsident Emmanuel Macron (45) am Klimagipfel in Ägypten vor einem Jahr die Hände schüttelten. Und auch, als die USA wegen der Energiekrise erste Sanktionen gegen Venezuela aufhoben, um an dessen grosse Erdölreserven heranzukommen. Es schien, als ob die westliche Welt gerade begonnen hätte, sich mit Maduro als Machthaber Venezuelas abzufinden.
Doch nun das. Nach einem fragwürdigen Referendum bläst der venezolanische Staatspräsident zur Invasion und Annexion des Nachbarlandes Guyana. Wer den Entscheid kritisiert, wird verhaftet. So hat der Generalstaatsanwalt nach der Abstimmung Haftbefehle gegen 14 Oppositionelle wegen angeblicher Verschwörung, Vaterlandsverrats und Bildung einer kriminellen Vereinigung beantragt.
Maduro ist definitiv im Kreise der Diktatoren angekommen!
Innert 20 Jahren ist Maduro vom Buschauffeur zum Machthaber aufgestiegen. Sein Slogan: «Gott hat mich hier hingestellt, um einen Auftrag zu erfüllen: das Volk zu beschützen.» Die Staatsmedien loben ihn als «Lenker der Siege».
Land in den Abgrund geritten
Dabei ist seine Amtszeit eine Auflistung von lauter Niederlagen. Die Wirtschaft stürzte massiv ab. Wegen der Hyperinflation – sie betrug 1,4 Millionen Prozent in einem Jahr – strich er bei den Bolivar-Banknoten kurzerhand fünf Nullen. Aus Angst vor einer Wahlniederlage setzte er die Abwahlmöglichkeit ausser Kraft.
Maduro ist der Nachfolger von Hugo Chávez (1954–2013), der 1999 die Macht an sich gerissen hatte und das Land – unter dem weltweiten Jubel der Linken – in einen autoritären Sozialismus führte. Jahrelang verliess er sich auf die Bodenschätze und beschenkte das Volk mit Gratisbenzin, vernachlässigte aber gleichzeitig Investitionen und Produktivität.
Vor Chávez' Machtübernahme hatte Venezuela eine Blütezeit erlebt. Das Land brachte in den 1970er-Jahren eine Wirtschaftsleistung hervor, die mit Grossbritannien und Japan vergleichbar war.
Millionen fliehen
Nun das pure Gegenteil. Rund sieben Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung – sind in den vergangenen zehn Jahren wegen Repressionen aus dem Land geflohen. Laut Amnesty International hat es unter Maduro mehr als 15'700 politisch motivierte, willkürliche Verhaftungen gegeben.
Die Uno wirft dem Putin-Freund Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die USA hatten auf ihn wegen Kollaboration mit Drogenkartellen ein Kopfgeld von 15 Millionen Dollar ausgesetzt.
Fan in der Schweiz
Trotz dieser Verbrechen und seiner Misswirtschaft hat Maduro weltweit seine Fans. Dazu gehört auch der ehemalige SP-Nationalrat und Soziologieprofessor Jean Ziegler (89) in Genf. «Maduro ist kein Diktator, sondern ein selbstbewusster und verantwortungsvoller Staatsmann», sagt Ziegler gegenüber Blick auf Anfrage.
Weil die Grenzen kolonial gesetzt worden seien, sei das Referendum berechtigt gewesen. Und die Drohung einer Invasion? «Maduro ist kein Kriegsherr, der willkürlich militärische Operationen plant», ist Ziegler überzeugt.
Dass Maduro jetzt durchgreife und Oppositionelle verhaftet, hält Ziegler für richtig, da sie das Resultat der Abstimmung sabotieren wollten und es sich um eine existenziell gefährliche Situation für Venezuela handle.
Opposition steht bereit
Eigentlich möchte die Mehrheit der Venezolaner Maduro loshaben. Seine Zustimmungswerte liegen bei tiefen 17 Prozent. Mit María Corina Machado (56) steht für die Wahlen im zweiten Halbjahr 2024 auch schon eine wirtschaftsliberale Oppositionskandidatin mit breiter Unterstützung in den Startlöchern.
Ob mit ihr der Befreiungsschlag gelingt? Diktatoren haben bekanntlich ihre Hausmittelchen, um gefährliche Gegner kaltzustellen: mit einer Verhaftung zum Beispiel oder der Anzettelung eines Krieges, was zu einer Absage der gefürchteten Wahlen führen würde.