Auf einen Blick
In den USA passieren gerade Dinge, welche die Rechtsstaatlichkeit in Zweifel ziehen. Jene Justiz-Verfahren, die Trump wohl in Schwierigkeiten gebracht hätten, lösen sich plötzlich in Luft auf. Es scheint, dass Trump nach dem Senat und dem Repräsentantenhaus nun sogar die Gerichte in seinem Sack hat.
Kann Trump nun autokratisch schalten und walten, wie er will? Wir liefern die Antworten.
Was läuft in den USA gerade ab?
Versuchter Wahlbetrug sowie gesetzeswidrige Aufbewahrung von geheimen Akten: Die mit Spannung verfolgten Verfahren gegen Donald Trump (78) werden wohl eingestellt. Das beantragt ausgerechnet der Mann, der Trump zur Strecke bringen wollte, Sonderermittler Jack Smith (55).
Auch das Verfahren wegen Anstiftung zum Sturm aufs Kapitol wird sich wohl in Luft auflösen. Jack Smith hat angekündigt, dass er bis am 2. Dezember über das weitere Vorgehen entscheiden werde.
Und das ist noch nicht alles. Selbst der Fall der Schweigegeldzahlung an Pornostar Stormy Daniels (45) dürfte im Sand verlaufen. Geschworene hatten Trump zwar im Mai in 34 Anklagepunkten wegen Verschleierung der Zahlung für schuldig befunden. Nun wird die Verkündigung des Strafmasses, die auf nächsten Dienstag vorgesehen war, auf unbestimmte Zeit verschoben. Sogar für immer?
Warum knickt die Justiz vor Trump ein?
Die offizielle Begründung vom Smith: Es sei im Justizministerium «Gepflogenheit», nicht gegen amtierende Präsidenten vorzugehen. Er lasse es aber offen, eine neue Anklage zu erheben, sobald Trump nicht mehr Präsident sei. Die zuständige, 2013 von Barack Obama (63) eingesetzte Bundesrichterin Tanya Chutkan (62) hat Smiths Antrag abgesegnet.
Für Trump-Gegner ist aber klar: Smith ist vor Trump eingeknickt, weil er sich vor Konsequenzen fürchtet. Trump hätte Smith «innerhalb von zwei Sekunden gefeuert», das Verfahren niederschlagen lassen oder sich selber begnadigt.
Philipp Adorf (40), USA-Experte an der Uni Bonn (D), findet Smiths Entscheid nachvollziehbar. Gegenüber Blick sagt er: «Der Versuch, Trump nach seiner Vereidigung strafrechtlich zu belangen, könnte nicht nur zu schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Konflikten führen, sondern auch seine Anhängerschaft weiter radikalisieren.» Zudem wäre es auch für die Beziehungen zu Europa von Nachteil, wenn Trump vorrangig einen innenpolitischen Kampf austragen müsste.
Bedeutet das «Bahn frei» für eine Trump-Autokratie?
Trumps Republikaner haben ab dem kommenden Jahr sowohl die Mehrheit im Senat als auch im Repräsentantenhaus. Wenn nun auch die Richter vor ihm in die Knie gehen, steigert dies tatsächlich Trumps Macht, der seine Verwaltung mit Tausenden loyalen Gefolgsleuten bestücken wird.
Massgebend ist auch das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom Sommer. Es stellte fest, dass der Präsident für Handlungen, die im Rahmen seiner verfassungsmässigen Befugnisse ausgeführt werden, absolute Immunität geniesst. «Dadurch hat Donald Trump in vielerlei Hinsicht zusätzlichen Handlungsspielraum gewonnen», meint Adorf. Und er ist überzeugt: «Trump wird seine Agenda deutlich effektiver vorantreiben können.»
Wer kann Trump noch stoppen?
Ganz freie Hand hat Trump nicht. Es gibt immer noch Gerichte und Bundesstaaten, die ihn stoppen können. Etwa 50 Prozent der Richter an den US-Berufungsgerichten, die direkt unter dem Supreme Court angesiedelt sind, wurden von demokratischen Präsidenten ernannt.
Auch die Auseinandersetzungen rund um die Wahl 2020 sowie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, Trumps Steuerunterlagen freizugeben, verdeutlichen, dass selbst der Supreme Court mit seiner konservativen Mehrheit Donald Trump keinesfalls in allen Belangen entgegenkommt.
Adorf ist davon überzeugt, dass demokratisch regierte Bundesstaaten weiterhin versuchen werden, sich gegen Massnahmen der Trump-Administration – etwas Massenabschiebungen – zu stellen.
Wie das konkret geht? Laut Adorf könnten Landesjustizminister in entscheidenden Fragen rechtliche Schritte einleiten, da es auf staatlicher Ebene oft den Exekutiven obliege, Bundesvorgaben umzusetzen. Adorf: «Diese könnten entweder bewusst nicht umgesetzt oder durch eine geringe finanzielle Ausstattung erheblich verlangsamt werden.»