«Wir müssen unsere Demokratie retten!» Es sind grosse Worte, die Eva Longoria (45) am Montag zur Begrüssung wählt. Der Hollywood-Schauspielerin kommt die Ehre zuteil, den Nationalen Parteitag der Demokraten als Moderatorin zu eröffnen. Es ist der Auftakt zu einem Schauspiel, das sich alle vier Jahre im Sommer vor den Präsidentschaftswahlen wiederholt.
Traditionell nominieren die Demokraten und die Republikaner am Nationalen Parteitag ihren jeweiligen Präsidentschaftskandidaten. Die beiden grossen Parteien in den USA laden üblicherweise Anhänger und namhafte Politiker an einen Veranstaltungsort ein, wo man vier Tage lang gemeinsam eine riesige Party feiert: laute Musik, viel Konfetti, pompöse Abendessen. Die Veranstaltung soll die Anhängerschaft in Wahlstimmung versetzen. Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Coronavirus-Pandemie hat die Demokraten wie auch Republikaner gezwungen, einen Grossteil ihres Parteitags virtuell abzuhalten.
Die Demokraten hätten sich diese Tage in Milwaukee versammelt. Die Stadt im Bundesstaat Wisconsin wurde aus taktischen Gründen ausgewählt. Vor vier Jahren hat sich hier US-Präsident Donald Trump (74) völlig überraschend gegen Hillary Clinton (72) durchgesetzt. Die Demokraten mussten sich damals den Vorwurf gefallen lassen, den Bundesstaat Wisconsin vernachlässigt zu haben. Mit dem Nationalen Parteitag hätte man nun eigentlich ein Zeichen setzen wollen. Zehntausende Demokraten wurden in der Stadt erwartet. Jetzt aber versammelten sich nur einige Techniker in Milwaukee, die für den virtuellen Ablauf des Parteitags verantwortlich sind. Politiker, Anhänger und Medienschaffende wurden im Juni aufgrund der Pandemie wieder ausgeladen, wie auch diese Zeitung.
Analysen zu den US-Wahlen
Trump: Biden ist «Marionette linker Extremisten»
Wenige Stunden vor dem Auftakt des demokratischen Parteitags war in Wisconsin die Air Force One von Donald Trump am Himmel aufgetaucht. Der US-Präsident ist mit dem Regierungsflugzeug demonstrativ in den Bundesstaat geflogen, um in der Stadt Oshkosh einen Wahlkampfauftritt abzuhalten. Trumps Präsenz trotz Corona-Pandemie wurde von demokratischer Seite und Gesundheitsexperten als fahrlässig kritisiert. Zuvor sprach der US-Präsident in Minnesota, ebenfalls ein entscheidender Bundesstaat im November.
Der US-Präsident nutzte seinen Auftritt in Wisconsin vor allem dafür, um gegen die Demokraten zu wettern. Er bezeichnete seinen Herausforderer Joe Biden (77) als «Marionette linker Extremisten». Die Wahlen im November seien die Wichtigsten, die die USA «jemals haben werden». «Wir werden für das Überleben unserer Nation und der Zivilisation an sich kämpfen», sagte Trump, der sich siegessicher zeigte. «Der einzige Weg, wie wir diese Wahl verlieren werden, ist, wenn die Wahl manipuliert ist.» Dann fuhr der US-Präsident mit seiner üblichen Medien-Schelte fort, sagte: «Die Zeitungen und TV-Stationen werden allesamt bankrottgehen, wenn ich das Weisse Haus verlasse ... in 16 oder 20 Jahren.»
Es war nicht das erste Mal, dass Trump über die Möglichkeit scherzte, länger als zwei Amtszeiten an der Spitze zu bleiben. Laut der US-Verfassung kann ein Präsident maximal acht Jahre an der Macht sein. Eine Verfassungsänderung gilt beim Zweiparteiensystem in Amerika als undenkbar.
Michelle Obama, Bernie Sanders und ein Republikaner
Donald Trump befand sich auf dem Rückweg nach Washington, als Hollywood-Star Eva Longoria den Parteitag der Demokraten mit alarmistischen Worten eröffnete. Sie führte als Moderatorin durch den zweistündigen Abend, der vor allem mit Videos gefüllt wurde. So hat man beispielsweise George Floyd (†46) mit einer Schweigeminute geehrt. Der Afroamerikaner ist im Mai bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben gekommen. Der Vorfall löste Massenproteste gegen Polizeigewalt und systematischen Rassismus im ganzen Land aus.
Höhepunkt des Abends waren die Reden von Michelle Obama (56) und Bernie Sanders (78). Die ehemalige First Lady lobte in einer rund fünfzehnminütigen Videobotschaft Joe Biden als «zutiefst anständigen Mann». «Er hört zu. Er wird die Wahrheit sagen und der Wissenschaft vertrauen», sagte Michelle Obama mit einem Seitenhieb an Trump, dem genau das Gegenteil vorgeworfen wird. «Donald Trump ist der falsche Präsident», sagte sie weiter. Obamas Rede war letztlich mehr ein Appell gegen den amtierenden US-Präsidenten als für den demokratischen Kandidaten Biden.
Die Live-Ansprache von Bernie Sanders, der bei den Vorwahlen Biden unterlag, konzentrierte sich darauf, Einigkeit zu symbolisieren. Der linke Senator aus Vermont bedankte sich zuerst bei seinen Anhängern für die Unterstützung: «Unsere Kampagne ist vor Monaten zu Ende gegangen. Aber unsere Bewegung dauert an», sagte er. Mit Trump als Präsident sei einst «undenkbares» Realität geworden. «Er ist nicht nur gefährlich für unsere Demokratie, sondern stellt auch eine Gefahr für unsere Gesundheit dar», so Sanders weiter, mit Anspielung auf die Pandemie. «Wir müssen alle zusammenkommen, um Donald Trump zu besiegen. Der Preis des Versagens ist einfach zu gross.»
Beachtenswert war der Auftritt von John Kasich (68), ehemaliger republikanischer Gouverneur von Ohio. Er stellte sich gegen seine eigene Partei, beschrieb Trump als Unruhestifter und sicherte Joe Biden die Unterstützung zu. «Ich weiss, dass Biden der richtige Mann für den Job ist», sagte Kasich, gefolgt von weiteren konservativen Wählern, die sich in einzelnen Videobotschaften hinter den demokratischen Kandidaten stellten.
Tochter von Covid-19-Opfer erhebt Vorwürfe gegen Trump
Die emotionalste Ansprache des ersten Tages hat Kristin Urquiza gehalten. Die Tochter eines verstorbenen Covid-19-Opfers sagte in einer aufgezeichneten Rede, ihr Vater Mark Anthony Urquiza habe Trump und dessen «Sprachrohren» vertraut, als diese gesagt hätten, dass das Coronavirus unter Kontrolle sei und verschwinden werde. Nachdem der Gouverneur des Bundesstaats Arizona die Ausgangsbeschränkungen Ende Mai aufgehoben habe, sei der 65-Jährige mit Freunden in eine Karaoke-Bar gegangen. Wenige Wochen später sei ihr Vater ohne Angehörige auf der Intensivstation gestorben.
«Seine einzige Vorerkrankung war, dass er Donald Trump vertraut hat, und dafür hat er mit seinem Leben bezahlt», sagte Kristin Urquiza. «Das Coronavirus hat deutlich gemacht, dass es zwei Amerika gibt: Das Amerika, in dem Donald Trump lebt, und das Amerika, in dem mein Vater gestorben ist.» Eine der letzten Dinge, die ihr Vater ihr gesagt habe, sei gewesen, dass er sich von Trump betrogen fühle. «Wenn ich meine Stimme für Joe Biden abgebe, werde ich es daher für meinen Vater tun.»
Showman Trump plant etwas «ganz besonderes»
Bis am Donnerstag werden noch weitere Parteiexponenten ihren Auftritt erhalten, darunter die Ex-Präsidenten Barack Obama (59) und Bill Clinton (73). Vize-Kandidatin Kamala Harris (55) ist am Mittwoch an der Reihe, Joe Biden am Donnerstag. Ob es den Demokraten mit dieser Art von Parteitag gelingt, ihre Anhängerschaft in Ekstase zu versetzen, ist fraglich. In den sozialen Netzwerken wurde der Auftakt vielfach als «langweilig» bemängelt. Andere wiederum fanden lobende Worte.
Die Republikaner sind in einer Woche mit Donald Trump an der Reihe. Auch der Parteitag der Konservativen wird grösstenteils virtuell abgehalten – und nicht wie einst geplant in Florida. Showman Trump hat sich eigenen Angaben zufolge etwas «ganz besonderes» dafür ausgedacht. Klar ist: Der US-Präsident steht unter Zugzwang, liegt er in den Umfragen doch teilweise deutlich hinter seinem Herausforderer zurück.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
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