Am Ende eines Thanksgiving-Wochenendes im Familienkreis hat der abtretende Präsident Joe Biden (82) seinen Sohn Hunter Biden (54) offiziell begnadigt. Zuvor hatte der Präsident stets betont, dass er sich nicht in die Justiz einmischen würde. Nun tat er es trotzdem.
Donald Trump (78) reagierte prompt und sprach auf Truth Social von «Missbrauch und Justizirrtum». Er fragte, ob die Begnadigung auch die «Geiseln des 6. Januars» einschliesse, die seit Jahren inhaftiert seien. Damit bezog er sich auf seine Anhänger, die 2021 das US-Kapitol gestürmt hatten.
Es wird erwartet, dass Trump nach seinem Amtsantritt in sieben Wochen die meisten seiner für den «Sturm aufs Kapitol» verurteilten Anhänger begnadigt. Doch Bidens überraschende Kehrtwende könnte die Türen noch weiter öffnen für Eingriffe künftiger Präsidenten in die Arbeit der Justiz.
Die Begnadigung wurde von verschiedenen Republikanern sofort verurteilt. «Präsident Biden und seine Familie tun weiterhin alles, was sie können, um sich der Verantwortung zu entziehen», schrieb etwa der Abgeordnete James Comer (52) auf X. Er erhob zudem Korruptionsvorwürfe gegenüber der «kriminellen Familie Biden».
«Zynismus stärkt Trump»
Besonnener, aber ebenfalls besorgt, äusserte sich der Trump-kritische Republikaner Joe Walsh (62). Er sagte dem Fernsehsender MSNBC: «Joe Biden sagte wiederholt, dass er dies nicht tun würde. Er hat also wiederholt gelogen.» Dies fördere den Zynismus, den viele gegenüber der Politik hätten. Und dieser Zynismus stärke Trump. «Das war ein egoistischer Schachzug von Biden, der Trump politisch nur stärkt», sagte Walsh. «Es ist einfach enttäuschend.»
Auch Demokraten äusserten Bedenken. Jared Polis (49), Gouverneur von Colorado, sagte, der Präsident stelle seine Familie über das Land und schaffe einen schlechten Präzedenzfall, der von späteren Präsidenten missbraucht werden könnte.
Schutz bis zurück ins Jahr 2014
Die Begnadigung kann von Trump nicht widerrufen werden. Sie deckt ausdrücklich alle Straftaten ab, die Hunter Biden zwischen dem 1. Januar 2014 bis zum 1. Dezember 2024 begangen haben könnte. Es geht also nicht nur um die Steuer- und Waffenvergehen, für die er im laufenden Jahr verurteilt wurde.
2014 war Hunter Biden dem Vorstand von Burisma beigetreten, einem ukrainischen Erdgas-Unternehmen. Dafür wurde er fürstlich bezahlt, obwohl er weder vom Energiemarkt noch von der Ukraine viel Ahnung hatte. Mit der Begnadigung ist Hunter Biden auch hier vor weiteren Ermittlungen geschützt.
Verständnis für den Vater, Kopfschütteln für den Präsidenten
Biden untergrabe mit der Begnadigung ein Stück weit die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe aus dem demokratischen Lager, dass Trump das Justizministerium für eigene Zwecke missbrauchen und Günstlinge begnadigen wolle, erklärt Claudia Brühwiler, Professorin für amerikanische Kultur und Politik an der Universität St. Gallen. «Sollte Trump selbst problematische Begnadigungen ernsthaft ins Auge fassen, wird die Kritik der Demokraten ungleich zahnloser und heuchlerischer wirken.»
Brühwiler glaubt, dass Biden gehofft habe, Kamala Harris (60) würde als Präsidentin später seinen Sohn begnadigen. Nach der Wahl Trumps habe sich Biden wohl zum Handeln gezwungen gefühlt. Während die meisten Amerikaner Biden als Vater verstehen würden, werde er als Präsident Kopfschütteln ernten. «Gerade konservative Wähler kritisieren Doppelstandards der Demokraten und werden sich darin bestätigt sehen», sagt Brühwiler.
Angst vor Vergeltung, Warnung vor «Lawfare»
Gemäss dem US-Radiosender NPR hatte Donald Trump seit 2022 mehr als 100 Mal gedroht, gegen seine Gegner strafrechtlich vorzugehen. Mehrmals kündigte er an, so «Vergeltung» üben zu wollen. Die Hürden dafür dürften nun erneut kleiner geworden sein – wenn auch Joe Biden eine «selektive Strafverfolgung» beklagt.
Erst am Wochenende hatte Trump den Juristen Kashyap Patel (44) als künftigen Direktor der Bundespolizeibehörde FBI nominiert. Patel hatte in Interviews vor seiner Nomination angekündigt, Verschwörer zu finden, «nicht nur in der Regierung, sondern auch in den Medien» – um sich so an Trumps Gegnern zu rächen.
Das macht sogar dem konservativen «Wall Street Journal» Bauchschmerzen. Die Zeitung rät der Regierung Trump davon ab, «Lawfare» zu betreiben – also die Justiz einzusetzen, um Gegnern Schaden zuzufügen. «Auf diesem Weg droht den Republikanern und der Trump-Präsidentschaft politischer Ärger ohne Ende, denn die Bemühungen werden mit Sicherheit nach hinten losgehen.»