Drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer würden Kamala Harris (60) zur neuen US-Präsidentin wählen. Nur 13 Prozent möchten Donald Trump (78) ins Weisse Haus schicken. Das ergab eine kürzlich veröffentlichte Umfrage.
Die Amerikanerinnen und Amerikaner denken anders – in den USA ist das Rennen deutlich offener. Rund 48 Prozent wollen am 5. November für Harris stimmen, 48 Prozent für Trump. Vier Prozent gelten als unentschlossen.
Warum erhält eine Politikerin, die in der Schweiz eine klare Mehrheit hätte, im eigenen Land weitaus weniger Unterstützung? Und weshalb wollen viele Amerikaner einen Politiker, der extrem umstritten ist?
Ein Erklärungsansatz führt zu McDonald’s: Letzte Woche zog Trump eine Schürze über weisses Hemd und rote Krawatte und liess sich im Schnellimbiss zeigen, wie man Pommes frites in heissem Öl zubereitet. Dann reichte er die Fritten durchs Fenster eines Drive-Thru-McDonald's in Pennsylvania.
Seine Anhängerinnen und Anhänger feierten ihn dafür: Trump verstehe die einfachen Leute. Der Republikaner zeige Respekt für einen Job, den Millionen kennen und viele nur ungern machen.
Seine Gegnerinnen und Gegner verspotteten ihn. Alles nur politisches Theater, ein Stunt im eigens für Trump geschlossenen Burger-Restaurant.
Aktion und Reaktion sind bezeichnend für den Kampf um die amerikanische Präsidentschaft neun Tage vor Schliessung der Wahllokale. Trump gibt den Ton an. Vizepräsidentin Harris, die im Sommer als Kandidatin für Präsident Joe Biden (81) einsprang, reagiert.
Tagelang zog Trump alle Aufmerksamkeit auf sich. Bei seinem Arbeitseinsatz im Fast-Food-Lokal wirkte er humorvoll, aber nicht lächerlich, authentisch und trotz hohen Alters energiegeladen. Harris hingegen ist heute noch die Antwort schuldig, bei welchem McDonald’s sie gearbeitet haben soll. Weiterhin bekundet sie Mühe, zu erklären, warum man sie wählen sollte – ausser dafür, dass sie nicht Trump ist.
Die Zahlen
Die nächsten neun Tage werden zum Marathon, den die beiden als Sprint absolvieren müssen: Nonstop-Auftritte, eine Welle von Werbespots, Angriffe unter die Gürtellinie.
Klar ist: Es wird knapp.
Die neusten Zahlen zeigen einen leichten Vorteil Trumps, da sich die Umfragewerte seit etwa drei Wochen zu seinen Gunsten entwickeln. Die Wettbörse Polymarket sieht seine Siegeschancen bei 64 Prozent, ihre bei 36 Prozent. Der Hype um Harris flaut ab, wie die durchschnittlichen Umfragewerte bei «Real Clear Politics» in den sieben entscheidenden Swing States zeigen. Trump führt knapp in Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Nevada und North Carolina, etwas deutlicher in Georgia und Arizona.
Wichtig zu wissen: Trump schneidet in Umfragen traditionell schlechter ab als bei den Wahlen.
Um am 20. Januar 2025 ins Weisse Haus einziehen zu können, muss einer der Kandidaten vier der sieben Staaten gewinnen. Beunruhigend für Harris ist, dass in den Staaten, in denen die Wahllokale bereits geöffnet sind, mehr Republikaner als je zuvor ihre Stimme abgegeben haben.
Die Themen
Die Sicht auf Trump ist in den USA anders als in Europa. «Ja, er ist laut und sagt manchmal dumme Sachen», meint Susan Worth-Stürzinger (62), eine schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin aus New Jersey. «Aber für mich zählt, was jemand tut.» Trump habe als Präsident gehalten, was er versprach: «Unsere Steuern waren tiefer, die Wirtschaft lief besser, die Preise waren niedriger. Wir hatten nicht diesen massiven, unkontrollierten Zustrom von illegalen Einwanderern.»
Was die Unternehmerin sagt, hört man oft in den USA. Inflation, Migration und Kriege sind die zentralen Themen dieses Wahlkampfs. Mindestens die Hälfte der Wählerinnen und Wähler glauben, von Trump die besseren Antworten zu bekommen. In Harris sehen sie eine Politikerin, die da als Vizepräsidentin wenig bewirkte.
Und die Themen von Harris? Dass Trump ein verurteilter Straftäter ist, hat im Wahlkampf weniger Schlagkraft als angenommen. Die Drohung, er werde das Recht auf Abtreibung landesweit abschaffen, verfing nicht. Der Republikaner selbst sagte, er werde sein Veto gegen ein solches Gesetz einlegen. Versuche, Trumps körperliche und geistige Fitness anzuzweifeln, entkräftet er mit dem Hinweis auf lange Arbeitstage.
Das zentrale Argument von Harris: «Ich bin nicht Trump» greift in wirtschaftlich schwachen Gegenden nicht. Was sich auch in ihrem schwindenden Rückhalt bei Latinos und Schwarzen ausdrückt. Die Menschen, die diese Wahl entscheiden, wollen einen Mann, der über die hohen Benzinpreise spricht – statt eine Frau, die sagt, sie werde nichts anders machen als Biden. Ihre jüngste Dämonisierung Trumps als «Faschist» wirkt hilflos.
Die Popularität
Trump ist weniger populär als Harris, doch er steht besser da als 2016. Aktuell liegt sein Sympathie-Rückstand bei 9 Punkten. 2016 betrug das Minus 26 Punkte, dennoch siegte Trump bei den Wahlen.
Harris gewann an Beliebtheit, seit sie Trumps Gegnerin wurde. Ihre Werte stiegen von minus 15 auf plus einen Punkt. Mittlerweile liegen sie wieder im negativen Bereich und sinken. Bei TV-Interviews überzeugte sie nicht.
Der Schlussspurt
Eine amerikanische Wahl gewinnt, wer am besten mobilisieren kann. Harris hatte wenig Zeit, eine starke Organisation aufzubauen und sich als Wahlkämpferin zu profilieren, da sie nicht durch parteiinterne Vorwahlen musste.
Trump und die Republikaner haben aus der Niederlage von 2020 gelernt. Sie setzten Zahlenfanatiker an die Spitze des Wahlkampfteams und konzentrieren sich auf die Staaten, die sie gewinnen wollen.
Mehr exklusive Analysen zu den US-Wahlen
Der Unternehmer Elon Musk (53) unterstützt Trump finanziell und hat die Social-Media-Plattform X zur Propagandamaschine für Trump umgebaut.
Harris verfügt über deutlich mehr finanzielle Mittel als ihr Gegner und wird die Swing States in den kommenden Tagen voraussichtlich mit negativen Werbespots überfluten. Zudem tritt sie mit Bruce Springsteen, Beyoncé, Samuel L. Jackson und Eminem auf, die das Blatt für sie kurz vor der Ziellinie wenden sollen.
Trump versucht die geballte Starpower am Sonntag mit einem Auftritt in New Yorks Madison Square Garden zu kontern. Als wäre er der Rockstar.