Wussten Sie, dass der Begriff «liberal» in der US-Politik etwas völlig anderes bedeutet als in der Schweiz? Bei uns sind viele liberale Politiker in der FDP zuhause. Eine Partei, die dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen ist. Petra Gössi (44) und Co. ist Selbstverantwortung wichtig, sie fordern möglichst wenig Einschränkungen des Staates.
Der amerikanische Begriff «liberal» steht hingegen für linksorientierte und sozialdemokratische Überzeugungen. Die US-«Liberals» wollen dem Staat eine prägende Rolle auf wirtschaftlicher Ebene zugestehen – exakt das Gegenteil also von den Liberalen in der Schweiz und in Europa.
Dieses Begriffswirrwarr kann einem durchaus auch helfen, wie das Beispiel von Ruedi Noser (58) zeigt. Der FDP-Ständerat hat als Privatperson den berühmt berüchtigten «Burning Man» in der Wüste Nevadas besucht. Ein Festival, das die amerikanischen Linken in Scharen anzieht. Noser erzählte in einem Interview auf «Radio 1» bei Roger Schawinski, dass er sich dort als «liberal» vorstellte. Die jungen Amis meinen dann natürlich, Noser sei einer von ihnen. Weit gefehlt.
Bernie Sanders ein stinknormaler Sozialdemokrat
Die amerikanische und Schweizer Politik im Vergleich – dazu später mehr. Bei meiner Recherche zu dieser Kolumne bin ich zufällig auf ein interessantes Datenspiel von «Political Compass» gestossen. Das möchte ich nicht vorenthalten. Denn die Ergebnisse haben selbst mich überrascht – und ich setze mich tagtäglich mit der amerikanischen Politik auseinander.
Die Betreiber der Seite haben die politische Gesinnung sämtlicher US-Präsidentschaftskandidaten ausgewertet. Dazu haben sie deren Reden und Abstimmungsverhalten analysiert. Letztlich teilen sie die amerikanischen Politiker auf einem Kompass ein, der mit allen anderen westlichen Demokratien kompatibel ist.
So kann man beispielsweise ablesen, dass Bernie Sanders (78), der in den USA als extrem links und Revolutionär gilt, in europäischen Demokratien ein stinknormaler Sozialdemokrat wäre. Oder Michael Bloomberg (78), der sich zwar bei der demokratischen Partei um die Nominierung bewirbt, in Tat und Wahrheit aber weiter rechts anzusiedeln ist als US-Präsident und Republikaner Donald Trump (73).
Übrigens: Auch amerikanische Gesetze, die weltweit für Aufsehen gesorgt haben, kann man auf diesem Kompass einsetzen. Zum Beispiel «Obamacare» – die Gesundheitsreform von Ex-Präsident Barack Obama. Sie wird von den Republikanern noch heute als «radikal links» dargestellt. Ein Blick auf den Kompass verrät: In anderen westlichen Demokratien, darunter auch in der Schweiz, wäre «Obamacare» nicht mehr als eine laue Version des seit langem etablierten öffentlichen Gesundheitssystems. Und es würde sowohl von Konservativen als auch von Sozialdemokraten weitgehend unterstützt werden.
Trump: Viel SVP und etwas SP
Zurück zum Anfang. Diese Kolumne ist aus der Idee entstanden, die US-Präsidentschaftskandidaten einer Schweizer Partei zuzuordnen. Einfach ist das nicht. Die meisten von ihnen haben kaum Ähnlichkeiten zu Bundesberner Politiker. Zum Beispiel Donald Trump: Rechts, konservativ – wie ein SVPler – aber andererseits auch viel zu autoritär für die Schweizer Volkspartei. Und dann treibt Trump die amerikanische Staatsverschuldung in ungeahnte Höhen – 1 Trillion US-Dollar sollen es bald sein. Das ist dann schon eher SP-like.
Was mit Sicherheit sagen ist: Bernie Sanders wäre in eben dieser SP daheim. Und zwar ziemlich in der Mitte der Partei. Elizabeth Warren (70) – die andere linke Präsidentschaftskandidatin – könnte man im rechten Flügel der SP finden. Amy Klobuchar (59) und Joe Biden (77) würden wohl der FDP beitreten, obwohl Klobuchar auch Übereinstimmungen mit der CVP aufweist. Und Shootingstar Pete Buttigieg? Der wäre entweder ein FDPler oder ein konservativer GLP-Politiker.
Fazit: Ruedi Noser tanzt am «Burning Man Festival» mit den linksten aller linken Amerikaner, Michael Bloomberg ist politisch rechter als Donald Trump und der US-Präsident selber hat ein bisschen Schweizer SP in sich.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.
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