USA fordern von Ukraine Verhandlungsbereitschaft mit Russland
«Die Ukraine-Müdigkeit ist eine echte Sache»

Die USA haben die Kiewer Regierung nochmal zu Offenheit gegenüber dem Aggressor aufgerufen. Doch die Hoffnung auf Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland schwindet und schwindet.
Publiziert: 06.11.2022 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2022 um 06:56 Uhr
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Wolodimir Selenski soll gegenüber Russland offen bleiben und Verhandlungen nicht ausschliessen.
Foto: Keystone
Chiara Schlenz

Wenige Tage nach Kriegsbeginn am 24. Februar fanden am 3. März dieses Jahres schon die ersten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine statt. Am 29. März lag der erste – von der Ukraine entworfene – Waffenstillstandsvertrag vor, Ende April legte Russland mit einem eigenen Entwurf nach. Zu einer Einigung kam es jedoch nicht. Anfang Oktober dann wurden weitere Gespräche mit Kremlchef Wladimir Putin (70) seitens der Ukraine aufgrund der inszenierten «Annexionen» von Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja ausgeschlossen.

Wie «Washington Post» berichtet, wollen die USA die Verhandlungen nun wieder zum Laufen bringen. Laut anonymen Quellen, die mit den Gesprächen vertraut sind, ermutigt die Biden-Administration die ukrainische Führung privat dazu, ihre Bereitschaft zu Verhandlungen mit Russland zu signalisieren und ihre öffentliche Weigerung, sich an Friedensgesprächen zu beteiligen, aufzugeben, wenn Putin nicht von der Macht entfernt wird.

Seit Sommer Funkstille zwischen Kriegsparteien

Denn seit dem Sommer herrscht Funkstille zwischen den beiden Kriegsparteien, heftige Kämpfe haben Friedensgespräche quasi vollständig abgelöst. Zwar betont Kriegsherr Putin immer wieder seine Bereitschaft für Verhandlungen mit Selenski, doch dieser fasst dies nicht so auf. Wer verhandeln wolle, lasse die Menschen nicht im «Fleischwolf» sterben, sagte Selenski am Freitagabend in seiner aus Kiew verbreiteten täglichen Videobotschaft. «Wir sind jetzt bereit für einen Frieden, einen fairen und gerechten Frieden. Die Formel dafür haben wir viele Male erklärt», sagte Selenski. Vor allem müsse Russland die Grenzen der Ukraine und ihre territoriale Unversehrtheit nach UN-Recht respektieren.

Allerdings bekräftigte der ukrainische Präsidenten-Berater Mychajlo Podoljak (50) auf Twitter kürzlich erneut, dass eine diplomatische Lösung im Konflikt für die Ukraine nicht infrage kommt. «Wenn jemand von ‹diplomatischer Einigung› spricht, schlägt er der Ukraine in Wirklichkeit vor, Russlands Ultimatum zu erfüllen: ‹Gebiete abtreten, Niederlage eingestehen›. Das ukrainische Volk wird dem niemals zustimmen. Daher eine Bitte: Hören Sie auf, der Ukraine eine als ‹Diplomatie› getarnte Kapitulation anzubieten.»

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Wie es bei «Washington Post» heisst, wollen die amerikanischen Beamten aber nicht, dass sich die Ukraine zu einer diplomatischen Lösung gezwungen fühlen. Vielmehr sei es ein kalkulierter Versuch, der Regierung in Kiew die Unterstützung anderer Nationen zu sichern, die einen Krieg über viele Jahre hinweg befürchten. «Für einige unserer Partner ist die Ukraine-Müdigkeit ein echtes Problem», so ein US-Beamter zur Zeitung. Besonders auf dem afrikanischen Kontinent, in Lateinamerika, aber auch in Teilen Europas sorgt man sich um die Verfügbarkeit und die Kosten von Lebensmitteln und Treibstoff.

Auch in den USA schwindet Unterstützung für Ukraine

Die USA gehören mit 18,2 Milliarden US-Dollar zu den grössten Unterstützern der Ukraine. Laut einer am 3. November vom «Wall Street Journal» veröffentlichten Umfrage meinten 48 Prozent der Republikaner, dass die Vereinigten Staaten «zu viel» zur Unterstützung der Ukraine tun würden, gegenüber sechs Prozent im März. Denn das Land kämpft mit der steigenden Inflation, Präsident Joe Biden (79) und seiner Partei beschert dies vor den Zwischenwahlen am 8. November Gegenwind. Auch in den USA macht sich eine gewisse Ukraine-Ermüdung breit.

«Unter den Republikanern wird kein Penny mehr in die Ukraine fliessen»
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US-Abgeordnete Greene:«Es wird kein Penny mehr in die Ukraine fliessen»

Bei einem Machtwechsel im Unterhaus wird sogar mit dem Ende der Militärhilfe für die Ukraine gedroht. «Die Demokraten haben unsere Grenze weit aufgerissen», sagte die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene (48) bei einer Trump-Rally in Iowa. «Aber die einzige Grenze, die sie interessiert, ist die Ukraine.», sagte Greene zur Menge. «Nicht die Südgrenze Amerikas. Unter den Republikanern wird kein einziger Penny an die Ukraine gehen. Unser Land kommt zuerst.»

Der Wunsch ist da – doch eine Lösung liegt in weiter Ferne

Experten gehen allerdings nicht davon aus, dass sich die Ukraine und Russland in naher Zukunft an einen gemeinsamen Tisch setzen werden. Zu unterschiedlich seien die Vorstellungen von Frieden. «Wenn Russland gewinnt, werden wir eine Periode des Chaos erleben: Blüte der Tyrannei, Kriege, Völkermorde, nukleare Wettrennen», twitterte Podolyak am Freitag. «Jegliche ‹Zugeständnisse› an Putin heute – ein Geschäft mit dem Teufel.»

Ukrainische Beamte weisen zudem darauf hin, dass ein Friedensabkommen von 2015 in der östlichen Donbass-Region – wo Moskau eine Separatistenkampagne unterstützte – Russland nur Zeit verschaffte, bevor Putin in diesem Jahr seine gross angelegte Invasion startete. Sie fragen sich, warum ein neues Friedensabkommen anders sein sollte, und argumentieren, dass die einzige Möglichkeit, Russland an weiteren Angriffen zu hindern, darin besteht, sein Militär auf dem Schlachtfeld zu besiegen.

Russland, das sich auf dem Schlachtfeld in einer schlechten Position befindet, hat Verhandlungen vorgeschlagen, sich aber in der Vergangenheit nicht bereit gezeigt, etwas anderes als die ukrainische Kapitulation zu akzeptieren. Sie behauptete er erst letzten Monat erneut, dass Russen und Ukrainer ein Volk seien, und argumentierte, dass Russland «der einzige wirkliche und ernsthafte Garant für die Staatlichkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine» sein könne.

«Zynischerweise strecken Russland und seine westlichen Unterstützer einen Olivenzweig aus. Lassen Sie sich nicht täuschen: Ein Aggressor kann kein Friedensstifter sein», schrieb Andriy Yermak (50), Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, in einem kürzlich in der «Washington Post» veröffentlichten Meinungsartikel – und lässt so die Hoffnung auf Friedensgespräche weiter schwinden.

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