Den Start in seine erste Pressekonferenz seit acht Monaten hat Joe Biden (81) in der Nacht auf Freitag mächtig verhauen. Schon am Abschluss-Event des Nato-Gipfels in Washington kurz vor der Konferenz leistete er sich einen groben Schnitzer und stellte den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (46) als «Präsident Putin» vor.
Auf die allererste Frage der Journalisten folgte der nächste grobe Fehlgriff: «Ich hätte Vizepräsident Trump nicht gewählt, wenn ich nicht sicher wäre, dass er Präsident sein kann», sagte Biden. Natürlich meinte er nicht Trump, sondern Kamala Harris (59). Doch das wars dann schon mit den groben Fehltritten. Für viel mehr Aufsehen dürfte Bidens Ankündigung ganz zum Ende der einstündigen Pressekonferenz sorgen, als er erklärte, unter welchen Umständen er eben doch noch aus dem Rennen steigen würde.
Vorweg: Fast eine Viertelstunde seiner Zeit auf der Bühne verwendete der auffällig oft lächelnde und braun gebrannte Biden darauf, sich gegen alle möglichen Angriffe auf sein Alter und seine Aussetzer zu verteidigen.
Jetzt kommts nur auf die richtige Statistik an
Neurologische Tests? Habe er als Präsident schon drei gemacht, zuletzt im Februar, und würde er auf Anraten eines Arztes jederzeit wieder machen.
Sein Versprechen, das Amt nach einer Amtszeit an die jüngere Generation zu übergeben? Das sei nicht möglich, weil die Situation «jetzt viel ernster» sei, als er damals erwartet hätte.
Seine Katastrophendebatte? Nicht wegzureden. Biden aber betont, dass er seither an mindestens 20 grossen Events teilgenommen habe, während Trump «nur in seinem Golfwagen rumkurvt» und beim Golfspielen schummle.
Die politische Bombe aber liess Biden erst ganz zum Schluss platzen. Gefragt, ob er aus dem Rennen steigen würde, wenn ihm sein Team beweisen könnte, dass Kamala Harris die besseren Chancen gegen Trump hätte als er selbst, sagte Biden unverblümt: «Ich würde nur dann aus dem Rennen steigen, wenn mir mein Team Daten zeigt, die belegen, dass ich unter keinen Umständen gewinnen kann.»
Damit ist klar: Biden rückt von seiner Hardliner-Position von Anfang Woche ab, als er in einem Interview mit dem TV-Sender ABC sagte, «nur der allmächtige Gott» könne ihn noch stoppen. Statt eines überirdischen Eingriffs bräuchte es jetzt also bloss noch die richtigen Statistiken, um Biden loszuwerden.
Biden erteilt seinen Delegierten faktische Stimmfreigabe
Damit öffnet der amtierende US-Präsident mehr als nur ein Türchen für die wachsende Anzahl jener Demokraten, die darauf hoffen, dass ihr alternder Chef bald den Hut nimmt. Der Druck der Partei dürfte gerade wegen der schlechten Zahlen (Biden liegt in allen sieben Swingstates hinter Trump, im Schnitt vier Prozent) massiv steigen.
Unmittelbar vor der Pressekonferenz gaben fünf weitere demokratische Abgeordnete zu Protokoll, dass sie Biden nicht länger unterstützten. Die «New York Times» schreibt zudem, dass Bidens eigenes Team bereits daran sei, Harris’ Chancen gegen Trump genauer unter die Lupe zu nehmen. Zudem schreibt die Zeitung, dass mehrere Biden-Gehilfen einen Plan ausheckten, um ihren Chef zum Rückzug zu drängen.
Was sie dafür brauchen, ist jetzt klar: deutliche Statistiken.
Für zusätzlichen Gesprächsstoff sorgt Bidens Versprechen an die knapp 4000 Delegierten aus allen Bundesstaaten, die am Parteitag im August den Kandidaten offiziell nominieren müssen. Sie seien «frei» und «können tun, was sie wollen», sagte der 81-Jährige. Faktische Stimmfreigabe also, verordnet von ganz oben.
Wird Biden also doch noch seinen Platz räumen und seine Vizepräsidentin aufs demokratische Podest heben? Das scheint nach der Pressekonferenz wahrscheinlicher denn je.