Joe Biden (81) ist ein Supermagnet. Er zieht restlos alle Aufmerksamkeit auf sich. Seit seiner katastrophalen TV-Debatte vor gut zwei Wochen steht er voll im Rampenlicht. Die halbe Welt fragt sich seither unentwegt, wann der verdatterte US-Präsident endlich den Hut nimmt und wer ihm den politischen Gnadenstoss versetzen könnte.
Einer geht ob dem Biden-Drama für einmal fast vergessen: Donald Trump (78). Der dauer-sendende Republikaner fühlt sich als Hauptdarsteller normalerweise pudelwohl. Für einmal aber spielt er gekonnt die Rolle des lauernden Beobachters – und schmiedet im Stillen einen radikalen Plan.
Louis Perron, Politberater und Autor des Buches «Schlag den Amtsinhaber: Bewährte Strategien und Taktiken, um Wahlen zu gewinnen», sagt zu Blick, Trump mache aus wahlkampftaktischer Sicht alles richtig. «Ich würde ihm raten, genau das zu tun, was er jetzt macht: sich zurückzuhalten.» Perrons These: «Wenn die Aufmerksamkeit auf Trump liegt, dann gewinnt Biden. Wenn sie auf Biden liegt, dann gewinnt Trump.» Das Motto sei klar: Störe deinen Gegner ja nicht, während er sich öffentlich selbst zerstört.
Trump lässt die Finger von Frauenkörper
Derzeit also beste Voraussetzungen für den Republikaner. Doch Trump, der Nebendarsteller im Biden-Drama, ist alles andere als untätig. Er gibt Interviews und organisiert Wahlkampf-Rallys. Was auffällt: Trump wirkt richtiggehend soft, als ob er die Chance nutzen wollte, um schockierte Ex-Biden-Anhänger aus der politischen Mitte in sein Lager zu locken.
Die Einladung zu seiner nächsten Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pennsylvania, ist nicht etwa übertitelt mit «Make America Great Again», sondern schlicht mit dem Satz: «Präsident Trump artikuliert seine präsidiale Agenda».
Ganz nebenbei hat Trump zudem eigenhändig das 16-seitige Parteiprogramm der Republikaner umgeschrieben. Das Dokument trägt seine unverkennbare Handschrift. Und es enthält einige bahnbrechende Änderungen, die seine nächste Amtszeit prägen würden.
So hat Trump die Passage über eine landesweite Einschränkung des Abtreibungsrechts kurzerhand aus dem Programm gestrichen. Die Bundesstaaten sollen entscheiden, wie sie Abtreibungen handhaben wollen – und dürfen das neuerdings auch, seit das Oberste Gericht den Roe-V.-Wade-Entscheid gekippt hat, der als Garant für Abtreibungen im ganzen Land galt. Trump will sich am hochpolitischen Thema offenkundig nicht die Finger verbrennen.
Ukraine spielt für Trump keine Rolle
Ebenfalls gestrichen hat Trump den Abschnitt, der die Ehe ganz traditionell als Bund zwischen einer Frau und einem Mann definierte. Dafür steht im Programm jetzt: «Die republikanische Partei muss sich für die Gleichbehandlung aller einsetzen.» In einem Interview mit dem Fox-Moderator Brian Kilmeade sagte Trump dazu, er wolle keinen faktischen «gay-ban» in den USA. Das sei rückständig.
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Auffällig auch: Die Ukraine findet im 16-seitigen Trump-Parteibuch nicht ein einziges Mal Erwähnung. Ein schlechtes Zeichen für das Land, das dringend auf weitere Unterstützung und Militärhilfe aus Amerika angewiesen ist.
Trump hat klargemacht, dass er Präsident Wolodimir Selenski (46) primär als «guten Verkäufer» sieht, der nach jedem Besuch in Amerika mit einem Milliarden-Paket abreise. Und er hat in Interviews versprochen, dass er Wladimir Putin (71) und Selenski noch vor seinem Amtsantritt an den Verhandlungstisch holen und den Krieg beenden werde. Sollte ihm das gelingen, wäre das in jedem Fall ein extrem ungünstiger, mit grossen Landverlusten verbundener «Friede» für die Ukraine.
Kurz: Trump ist als vermeintlicher Beobachter genauso aktiv wie als Rampenlicht-Polteri. Und: Bald gehört die Bühne wohl wieder ihm ganz alleine. In landesweiten Umfragen liegt er deutlich vor seinem Kontrahenten, in den sieben wichtigsten Wechselwählerstaaten im Schnitt mit ganzen vier Prozent. Biden hat allen Grund zur Panik.