Neuer Akt im verbalen Schlagabtausch zwischen Ungarn und der Ukraine. Letzte Woche wurde enthüllt, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) darüber nachgedacht haben soll, die noch zu Zeiten der Sowjetunion gebaute «Druschba-Pipeline» zu sprengen. Mit der Pipeline liefert Russland Öl in das EU- und Nato-Mitgliedsland Ungarn. Der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto (44) feuerte eine Breitseite gegen Kiew ab, indem er «feindselige und drohende Massnahmen gegen Ungarn» scharf verurteilte.
Jetzt hat der Aussenminister Schützenhilfe von seinem Premier Viktor Orban (59) erhalten, der von einem «russisch-ukrainischen Krieg» spricht, der «nicht der unsrige» sei. Die Ukraine könne den Krieg unmöglich gewinnen, sagte der Regierungschef des EU-Mitgliedsstaates – des Staatenbundes, der die Ukraine militärisch, politisch, finanziell und humanitär mit Milliardenhilfen unterstützt.
Auch Russen könnten nur verlieren
Immerhin zeigte Orban erstmals so etwas wie Mitgefühl für das Schicksal des östlichen Nachbarlandes, mit dem Ungarn am äussersten Nordostzipfel eine 140 Kilometer lange Grenze teilt. «Gefühlsmässig ist es tragisch, unser aller Herz ist bei den Ukrainern», sagte Orban auf einer von Bloomberg gesponserten Veranstaltung in Katar. «Aber ich spreche als Politiker, der Leben retten sollte. Es gibt keine Chance, diesen Krieg zu gewinnen.» Womit er implizit sagt, dass auch die Russen nur als Verlierer vom Schlachtfeld ziehen können. Weitere Militärhilfe, so Orban, werde nur zu mehr Toten führen.
Orbans Ungarn unterhält weiterhin enge Beziehungen zu Moskau. Orban hat sich wiederholt gegen Sanktionen ausgesprochen und behauptet, sie seien eine grosse Belastung für die eigene Bevölkerung. Sanktionen, so Orban, würden ein Ende des Krieges nicht beschleunigen.
Die Ukraine wies Orbans Äusserung in aller Schärfe zurück. Oleg Nikolenko (36), Sprecher des Kiewer Aussenministeriums, erinnerte den Ungarn daran, dass einige europäische Politiker vor Beginn des Krieges behauptet hatten, die Ukraine habe keine Chance, länger als 72 Stunden durchzuhalten. «Sie haben sich damals geirrt, und sie irren sich auch jetzt», so Nikolenko. «Im Gegensatz zu den Befürwortern einer widerstandslosen Kapitulation vor dem Feind werden die Ukrainer bis zur vollständigen Befreiung ihres Territoriums von der russischen Besatzung weiterkämpfen.» (kes)