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Ultra-Nationalist ist Zünglein an der Waage
Dieser Mann wird in der Türkei zum Königsmacher

Im Rennen um die türkische Präsidentschaft kommt es zur Stichwahl. Ein Mann wird das Zünglein an der Waage spielen. Blick erklärt, wo Sinan Ogan steht und welcher der Kandidaten auf seine Unterstützung zählen kann.
Publiziert: 15.05.2023 um 11:28 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2023 um 15:12 Uhr
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Sinan Ogan könnte bei den türkischen Präsidentschaftswahlen den Ausschlag geben.
Foto: DUKAS
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Sven ZieglerRedaktor News

Nur gerade fünf Prozent aller Stimmen hat er bei den türkischen Präsidentschaftswahlen erhalten. Trotzdem dürften in den kommenden Wochen alle Blicke auf ihm ruhen. Im eigenen Land und auf der internationalen Bühne. Sinan Ogan (55), Präsidentschaftskandidat der ultranationalistischen Ata-Allianz, dürfte im Rennen um die türkische Präsidentschaft das Zünglein an der Waage sein.

Angesichts der wahrscheinlichen Stichwahl zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan (69) und Herausforderer Kemal Kilicdaroglu (74) könnten Ogans Wähler in einem zweiten Wahlgang entscheidend sein. Erdogan erhielt gemäss den aktuellen Zahlen 49,49 Prozent aller Stimmen, Kilicdaroglu 44,79 Prozent. Die Endergebnisse wurden noch nicht verkündet. Es ist unklar, wann damit zu rechnen ist.

Sobald Ogan eine Wahlempfehlung für einen der beiden Kandidaten ausspricht, könnte das bei der Stichwahl in zwei Wochen einen entscheidenden Unterschied machen. Und Ogan kündigte bereits an, dies in den nächsten Tagen tun zu wollen. «Unser Volk kann beruhigt sein. Wir werden niemals zulassen, dass die Türkei in eine Krise gerät», sagte Ogan in der Nacht zu Montag in Ankara.

Erdogan oder Kilicdaroglu?

Erdogans Herausforderer stellte vor dem ersten Wahlgang klare Bedingungen, die ein Kandidat für seine Unterstützung zu erfüllen hat. So will das ultranationalistische Bündnis unter anderem verhindern, dass die prokurdische HDP-Partei eine Rolle in der türkischen Politik spielt.

Wie der «Spiegel» schreibt, dürfte diese Bedingung für Oppositionskandidat Kilicdaroglu aber kaum zu erfüllen sein. Die HDP gilt als prominenter Unterstützer Kilicdaroglus, zudem ist er auf die Stimmen der Kurden angewiesen.

Spricht also alles für Ogans Unterstützung für Erdogan? Nicht unbedingt. Ogan ist zwar ein ehemaliger Bündnispartner des türkischen Präsidenten, zog 2011 als Abgeordneter der Erdogan-Bündnispartei MHP ins türkische Parlament ein. 2015 wurde er allerdings nach Kritik an seiner eigenen Partei aus der Partei ausgeschlossen. Nach einem Gerichtsurteil trat Ogan wieder in die MHP ein, wurde 2017 aber erneut ausgeschlossen. Dieses Hin und Her soll Spuren hinterlassen haben, erklärten Insider gegenüber der türkischen BBC vor den Wahlen.

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Gespräche in den nächsten Tagen

Im Wahlkampf hat sich Ogan denn auch klar gegen Erdogan gestellt. Ob er sich auf einen Kompromiss mit dem amtierenden Präsidenten einigen kann, ist unklar. Zudem signalisierte der 55-Jährige auch in der Kurden-Frage eine gewisse Kompromissbereitschaft. Das könnte Oppositionskandidat Kilicdaroglu in die Karten spielen.

Für welchen Kandidaten sich Sinan Ogan mit seinem Bündnis entscheiden wird, ist also völlig offen. In den kommenden Tagen sollen Gespräche mit den beiden Kandidaten geführt werden, ehe eine definitive Entscheidung folgt.

Ogan selbst weiss um seine starke Position. In einem Interview nach dem ersten Wahlgang sagte er, er werde nicht nur ein Papier-Partner sein. «Ich und meine Leute, wir haben klare Ansprüche. Wir wollen Ministerien besetzen und ein Teil der Regierung sein.»

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