«Auf nach Berlin»: Die Parole auf einem Shirt, das die weltberühmte russisch-österreichische Sopranistin Anna Netrebko (51) auf einem Bild trägt, sorgt für Entrüstung. Andrij Melnyk (47), bis 2022 ukrainischer Botschafter in Deutschland und heute Vize-Aussenminister, twittert: «Diesen Slogan benutzt die russische Propaganda, um Deutschland einzuschüchtern. Warum darf diese Putin-Apologetin in Wiesbaden auftreten?»
In der Hauptstadt des Bundeslandes Hessen findet zurzeit ein Disput über zwei geplante Konzerte im Mai von Netrebko statt, weil sich die Künstlerin zu wenig vom Krieg und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) distanziere.
520 Franken für Platz in Luzern
Auch in der Schweiz ist ein Konzert mit Netrebko geplant. Am 1. Juni 2024 wird sie mit ihrem Ehemann Yusif Eyvazov (45) im KKL Luzern ein Konzert nachholen. Teuerster Platz: 520 Franken. Das Konzert hätte ursprünglich am 5. Juni 2022 stattfinden sollen, wurde aber wegen ihrer Nähe zu Putins Politik abgesagt. Das Opernhaus Zürich hatte die Künstlerin damals aus dem gleichen Grund ausgeladen.
Auf Anfrage von Blick verweist es auf die Medienmitteilung vom vergangenen Jahr und teilt mit, dass es «bis 2025 keinerlei weiteren Pläne mit Anna Netrebko» habe.
Die Good News Productions AG in Opfikon ZH, die das Konzert im KKL organisiert, geht aber davon aus, dass das Konzert in Luzern stattfinden wird. Geschäftsführer Stefan Matthey (56) sagt zu Blick: «Wir sind der lokale Veranstalter und stehen in engem Kontakt mit der deutschen Tourneeveranstalterin. Die hat uns versichert, dass sich Frau Netrebko von Putins Krieg distanziert.»
«Es hat nichts mit Kunstfreiheit zu tun»
Das glaubt Vize-Aussenminister Andrij Melnyk nicht. Gegenüber Blick sagt er auf Anfrage: «Diese prominente Operndiva war und bleibt das Aushängeschild der imperialistischen Kulturpolitik Putins, um seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukrainer zu vertuschen und auszublenden. Ihre Distanzierung vom Kremlchef ist halbherzig.»
Und Melnyk meint: «Es wäre ein fataler Fehler, wenn Anna Netrebko in Luzern auftreten darf. Es hat nichts mit Kunstfreiheit zu tun.»
Trotz der Kritik und Vorbehalte hält das Hessische Staatstheater Wiesbaden an der Einladung zu den Internationalen Maifestspielen fest, wie das Portal hessenschau.de schreibt. Intendant Uwe Laufenberg (62) spricht von einer «Moralhysterie». Gäbe es für alle, die sich vor dem 24. Februar 2022 mit Putin hätten ablichten lassen, Auftritts-, Politik- oder Schreibverbot, «dann würde das hier sehr leer werden». Beide Aufführungen sind bereits ausverkauft.
Öffentliche Sympathiebezeugungen gegenüber Putin
Netrebko liess sich aber nicht bloss mit Putin ablichten. Es gibt mehrere öffentliche Sympathiebezeugungen Netrebkos gegenüber Putins Politik. Insbesondere das Bild, auf dem die Sängerin ein Shirt mit der Propaganda-Aufschrift «Auf nach Berlin» trägt, sorgt für Kritik. Aufgenommen wurde es, als Netrebko Autogramme bei der Wiener Staatsoper gab.
Das Datum ist hier das Entscheidende. Sie trug das Shirt am 9. Mai 2010. Es ist der Tag, an dem Russland den Sieg über Nazi-Deutschland feiert. Sie trägt auch das Georgsband, das ebenfalls an den Sieg erinnert und inzwischen Zeichen der Unterstützung der heutigen Politik des Kremls geworden ist.
Kein Einzelfall. Auf einem Bild von 2014, als Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, hält sie die Fahne von «Neurussland» hoch. Die Fahne symbolisiert die Gebiete im Osten der Ukraine, die eine Unabhängigkeit von Kiew anstreben. Netrebko spendete damals dem Donezker Operntheater eine Million Rubel – rund 12'400 Franken. Donezk steht unter der Kontrolle prorussischer Separatisten.
Ihr Manager Miguel Esteban wehrt sich. Er erklärt, es sei nicht richtig, die Sopranistin mit einer Regierung oder mit dem Krieg in Verbindung zu bringen. Die Künstlerin habe sich mehrfach vom Konflikt distanziert. So wurde Netrebko inzwischen in ihrer Heimat von der umjubelten Künstlerin zur Verräterin degradiert und bekommt zurzeit auch keine Engagements mehr.