Ukrainischer Geheimdienstchef Budanow
«Russland ist nicht für lange Kämpfe bereit»

Der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow spricht in einem Interview über Russlands Waffenbestände, die Rolle Chinas und Spaltungen in Putins Regierung. Zudem prognostiziert er aktive Kampfhandlungen im Frühling.
Publiziert: 28.02.2023 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2023 um 12:00 Uhr
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Der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow glaubt, dass Russland kaum mehr Waffen habe.
Foto: keystone-sda.ch

Wolodimir Selenski (45) braucht mehr Waffen. Am Montagabend bat er den Westen in seiner täglichen Videobotschaft unter anderem um eine bessere Flugabwehr, einschliesslich Kampfflugzeugen.

Und auch sein Geheimdienstchef schlägt in die gleiche Kerbe. In einem Interview mit «Voice of America» sagt Kyrylo Budanow (37), dass eine «Intensivierung von Waffenlieferungen» den Wendepunkt im Krieg beschleunigen könnte. Die Waffen würden zwar geliefert werden, aber das Tempo und die Menge würden nicht ausreichen, klagt er.

«Russlands Ressourcen sind ziemlich begrenzt»

Gleichzeitig ist er überzeugt, dass Wladimir Putins (70) Armee langsam die Luft ausgeht. «Russland ist für lange Kämpfe nicht bereit. Sie zeigen auf jede erdenkliche Art und Weise, dass sie für einen zehnjährigen Krieg bereit sind, aber in Wirklichkeit sind ihre Ressourcen ziemlich begrenzt. Und dessen sind sie sich sehr wohl bewusst.»

Dafür spreche auch die Muster-Veränderung bei den Raketenangriffen auf die Ukraine. «Wir sehen, dass der Zeitabstand zwischen den Raketenangriffen jedes Mal grösser wird und die Anzahl der Raketen abnimmt.» Das liege seiner Meinung daran, dass dem Kreml die Raketen ausgehen.

Budanow glaubt zudem nicht, dass China Russland mit Waffenlieferungen unterstützen würde. Vor wenigen Tagen hatte der «Spiegel» berichtet, dass das russische Militär und der chinesische Drohnenhersteller Xi'an Bingo Intelligent Aviation Technology über die Produktion von Kamikazedrohnen verhandeln würden. Das Unternehmen soll sich bereit erklärt haben, 100 Drohnen des Prototyps ZT-180 zu produzieren und bis April zu liefern.

In der Ukraine hält man solche Meldungen offenbar für nicht glaubhaft. Budanow betont: «Ich sehe keinen Hinweis darauf, dass solche Dinge überhaupt besprochen werden.» Aktuell sei Iran das einzige Land, dass Russland in der Ausrüstung helfe, sagt er.

«Russland will nicht einstimmig Krieg weiterführen»

Doch wie kann Russland dann unter diesen Bedingungen den Krieg weiterführen? «Russland kann es sich unter diesen Umständen im Moment nicht leisten, zuzugeben, dass es verlieren wird. Die Stabilität des Regimes hängt direkt von diesem Faktor ab.»

Und Budanow ist überzeugt: «Russland ist nicht einstimmig für die Fortsetzung des Krieges. Was die oberste Führung des Staates anbelangt, sind viele zu der Erkenntnis gelangt, dass etwas nicht stimmt.» Es gebe nicht viele Leute in der russischen Führungsspitze, die den Krieg bis zum bitteren Ende befürworten. Putins Gefolgschaft würde nun auf den Zeitpunkt warten, an dem «der Turm des Kremls, der für den Krieg ist, gegen die Wand fährt und zugibt, dass es nicht geht.»

Plant Ukraine Angriff auf Russland?

Der Geheimdienstchef wagt eine Prognose: «Die nächsten drei Monate werden sehr aktiv sein, was den weiteren Verlauf der Ereignisse bestimmen wird.» Plant die Ukraine weitere Attacken auf Russland? Bereits im Januar hatte Budanow solche Absichten kundgetan. Spätestens im Frühling würde die Ukraine einen «grossen Vorstoss» planen, im März sollen die Kämpfe «am heissesten» werden.

Jetzt bekräftigt auch sein Vize solche Pläne. «Es ist möglich, dass wir auch Waffendepots oder Militärgerät auf russischem Territorium zerstören, etwa rund um die Stadt Belgorod», sagt Wadym Skibitsky in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe. Einen solchen Angriff rechtfertigt Skibitsky damit, dass von Belgorod aus Charkiw angegriffen werde. (man)

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