Ukrainischer Geheimdienst tötet General Kirillow in Moskau – Experte ordnet ein
«Anfang einer Tötungsserie gegen Kriegs-Hintermänner»

Es sind Schläge mitten ins Herz des Feindes: In Moskau sind ein hochrangiger General sowie ein Raketenexperte getötet worden. In beiden Fällen soll der ukrainische Geheimdienst dahinter stecken. Experten erklären, wie die Ukrainer das schaffen.
Publiziert: 17.12.2024 um 18:41 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2024 um 21:42 Uhr
Als Igor Kirillow aus dem Haus trat, explodierte der E-Scooter.
Foto: Anadolu via Getty Images

Auf einen Blick

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Guido FelderAusland-Redaktor

Seit der Invasion in die Ukraine gleicht Moskau einer Festung. Die Sicherheitsmassnahmen sowohl in der Luft als auch am Boden sind massiv. Dennoch ist es dem ukrainischen Geheimdienst gelungen, den russischen Raketen-Spezialisten Michail Schazki sowie den Chemiewaffen-General Igor Kirillow (†54) zu töten.

Nach der Pleite in Syrien ist das eine weitere Schmach für den russischen Präsidenten Wladimir Putin (72). Denn die ukrainischen Geheimdienstler beweisen, dass sie selbst vor Putins Haustür zuschlagen können.

Am Dienstag vergangener Woche war, laut bisher unbestätigten Berichten, Michail Schazki in einem Wald – 13 Kilometer vom Kreml entfernt – erschossen aufgefunden worden. Die Kugeln sollen aus Waffen des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR stammen. Als Designchef des Mars Design Bureau war er für die Modernisierung der Marschflugkörper Kh-59 und Kh-69 verantwortlich. Diese setzt Russland im Krieg gegen die Ukraine ein.

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Igor Kirillow war Chef der Einheiten für radiologische, biologische und chemische Waffen.
Foto: keystone-sda.ch

Bombe an Scooter

Am Dienstag dieser Woche sind in Moskau General Igor Kirillow und sein Assistent bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Offenbar steckt hinter dem Anschlag der ukrainische Geheimdienst SBU, der an einem E-Scooter eine Bombe platziert und per Handy ferngezündet haben soll.

Kirillow war Chef der Einheiten für radiologische, biologische und chemische Waffen. Die Ukraine hatte ihn am Montag der Beteiligung an Militärverbrechen beschuldigt. Auf seinen Befehl sollen laut ukrainischer Einschätzung 4800 Einsätze mit chemischer Munition ausgeführt worden sein.

Kirillow galt im Westen als Verschwörungstheoretiker. Wie russische Medien schreiben, beschuldigte Kirillow die USA, Kampfmücken und -vögel zu züchten. Diese sollten mit Viren infiziert und über Russland ausgesetzt werden.

Eine Schmach für Putin

«Die erfolgreichen Anschläge in Moskau sowie die Tatsache, dass es schon Drohnenangriffe auf Moskau gegeben hat, sind für den Kreml eine Schmach», sagt Russland-Experte Ulrich Schmid (59) von der Uni St. Gallen. «Mit dem Attentat wird signalisiert, dass die Verantwortlichen für den Krieg selbst in der russischen Hauptstadt nicht sicher sind.» Schmid rechnet mit Vergeltung des Kremls, etwa durch massiven Raketen- und Drohnenbeschuss.

Klar ist: In Moskau waren Profis am Werk. Erich Schmidt-Eenboom (71), Geheimdienstexperte beim Forschungsinstitut für Friedenspolitik im bayerischen Weilheim (D), sagt gegenüber Blick: «Der Anschlag auf den General machte eine sehr gründliche Ausspähung seines Wohnsitzes und seiner Lebensumstände erforderlich.»

Er hält den ukrainischen Geheimdienst als einen der besten – was nicht von ungefähr komme. «Der ukrainische Nachrichtendienst war von je her ausserordentlich professionell und durch den jahrelangen Bürgerkrieg im Donbass mit Einsätzen hinter der Front der Separatisten häufig erfolgreich.»

Nach der Annexion der Krim 2014 sei die Leistungsfähigkeit noch einmal gewachsen, weil die wohl weltbesten Special Forces – der britische Special Air Service SAS – die Ausbildung ukrainischer Kommandoeinheiten übernahmen. Schmidt-Eenboom: «Die Briten sind seit Jahrzehnten dafür bekannt, dass sie auch in der Tiefe Russlands bis hin nach Tschetschenien Positionen besetzen konnten.»

Ukrainer rekrutieren junge Russen

Geheimdienstexperte Adrian Hänni (44) vom Institut für Zeitgeschichte München vergleicht die Anschläge in Moskau mit dem tödlichen Bombenanschlag auf den russischen Militärblogger Wladlen Tatarski (†40) im April 2023 in St. Petersburg. Gemäss Ermittlungen wurde die Tat von einer jungen Russin ausgeführt, die aber möglicherweise von einem ukrainischen Betreuer manipuliert und zur vorbereiteten Tat motiviert worden ist. Hänni: «Die ukrainischen Geheimdienste konnten gegen Geld immer wieder junge idealistische Aktivisten rekrutieren.»

Hänni geht davon aus, dass die beiden Anschläge in Moskau in Zusammenhang stehen. «Es dürfte sich um den Anfang einer Serie von Tötungsoperationen gegen Hintermänner der brutalen russischen Kriegsführung in der Ukraine handeln. Sie dürften zum Ziel haben, Rache zu nehmen sowie in jenen Kreisen Angst und Schrecken zu verbreiten.»

Tatsächlich hatte der ukrainische Sicherheitsdienst SBU im vergangenen Jahr angekündigt, dass er dieses Jahr «tief in russisch kontrolliertes Gebiet» eindringen werde, um den Krieg «so nah wie möglich an den Kreml» heranzuführen. Das sagte SBU-Generalmajor Wassyl Maljuk (41) gegenüber «Politico». Maljuk: «Die Besatzer müssen verstehen, dass sie sich nicht verstecken können. Wir werden den Feind überall finden.»

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