Er gehört zu denen, die wissen, was im Ukraine-Krieg wirklich vor sich geht: General Wadim Skibitski. Er ist der zweitmächtigste Befehlshaber des militärischen Geheimdienstes der Ukraine. In einem Interview mit «La Repubblica» hat er von seiner Arbeit erzählt.
Kreml-Chef Wladimir Putin (70) umzubringen, sei das Ziel Nummer eins. Skibitski behauptet, dass es bislang nicht gelungen sei, weil Putin sich verstecke: «Er fängt erst jetzt wieder an, seinen Kopf herauszustrecken, und wenn er das tut, sind wir nicht sicher, ob er es wirklich ist.»
Er vermutet, dass Putin sich fürchtet: «Er merkt, dass wir ihm immer näher kommen, vielleicht hat er aber auch Angst, von seinen eigenen Leuten getötet zu werden.» Denn auch in Russland habe der Kreml-Chef viele Gegner, meint der General: «Meiner Ansicht nach bekriegen sich die Russen gegenseitig, sie kämpfen um ihren eigenen Aufstieg an die Macht.»
Putin nicht das einzige Ziel
Im Visier der Ukrainer sind aber auch zahlreiche weitere mächtige Figuren. Beispielsweise stehen Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (60) und der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu auf der Abschussliste. «Und das ist noch nicht das Ende», so der General.
«Wenn eine wichtige Persönlichkeit für die Russen Waffen produziert und finanziert, dann würde dessen Eliminierung das Leben vieler Zivilisten retten. Und dann wird er ausgelöscht», droht Skibitski.
Im Visier stünden aber auch Einheitskommandanten, welche Befehle zum Angriff erteilen. Wie viele dies sind, ist unklar. Ihre Positionen an der Front kenne der Geheimdienst jedoch ganz genau.
Logistische Angriffe geplant
Auch wichtige Handelswege und Munitionslager der Russen zerstört der Geheimdienst gezielt. Skibitski sagt: «Wir müssen den Feind entwaffnen, bevor er eintrifft.» Im April wurde beispielsweise ein Treibstofflager auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim in Brand gesetzt.
Der General sagt weitergehend, dass der Hafen von Mariupol eine wichtige Schlüsselstelle der russischen Kriegs-Logistik werden soll. Er droht: «Wenn es dort Treibstoff, Waffen und Munition gibt, wird er vernichtet.»
Einen Gegenangriff mit angereichertem Uran hält Skibitski hingegen für unrealistisch. Er sagt, dabei handle es sich nur Angstmacherei: «Sie sagen zwar, dass sie über die stärksten und technisch modernsten Waffen verfügen, doch das ist nur ein Märchen.» Laut Skibitski würde es in Russland aufgrund der Sanktionen sogar an Raketenteilen fehlen.
«Mit ihnen zu verhandeln, wird sehr schwer»
Über einen Friedensvertrag wolle man erst sprechen, wenn man seine Landesgrenzen zurückerobert hätte. Doch Verhandlungen zur Entmilitarisierung der Atomanlage von Saporischschja seien am Laufen, sagt Skibitski: «Wir sind der Meinung, dass sie entmilitarisiert werden und um sie herum eine Sicherheitszone geschaffen werden muss.»
Russland würde zwar zustimmen, sich aber weigern, seine Soldaten abzuziehen. «Es müsste einen Garanten geben, der dafür sorgt, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden», so der General. Denn das Misstrauen beider Seiten ist gross. (mrs)