Oma wird zum Propaganda-Symbol
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Konfrontation mit Soldaten:Oma wird zum Propaganda-Symbol

Ukrainische Rentnerin mit Fahne gegen Ukraine-Soldaten
Sowjet-Symbole feiern Comeback in Russland

In Russland tauchen Denkmäler und Graffiti auf, die der «Oma mit der sowjetischen Fahne» gewidmet sind – einer ukrainischen Rentnerin, die sich weigerte, von ukrainischen Soldaten Essen anzunehmen, nachdem sie die Fahne zertreten hatten.
Publiziert: 07.05.2022 um 12:20 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2022 um 14:03 Uhr
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Dieses Video geht viral: Eine ukrainische Rentnerin in der Region Charkiw begrüsst ukrainische Soldaten mit einer Sowjetflagge.
Foto: Youtube

Seit der russischen Invasion in der Ukraine sind es vor allem die Buchstaben «Z» und «V», die als Erkennungsmerkmal derjenigen dienen, die Kremlchef Wladimir Putin unterstützen und den Krieg gutheissen.

Nun hat die Propaganda-Maschinerie ein neues Symbol entdeckt, das den ukrainischen Widerstand gegen die Regierung und die «Nazis» in Kiew verkörpern soll – ein Grosi mit einer Sowjetflagge.

Vor einem Monat tauchte im Netz ein Video auf, dass die alte Frau zeigt, wie sie mit einer Sowjetflagge ukrainische Soldaten begrüsst, weil sie diese für russische Soldaten hält. Berichten zufolge sei das Video im Dorf Dmytriwka in der Region Charkiw von ukrainischen Soldaten aufgenommen worden.

Soldaten treten Flagge mit Füssen

Als die Frau mit der Fahne auftaucht, fragt ein Soldat, ob sie auf sie gewartet habe. «Natürlich, wir haben für euch gebetet und für Putin und für alle Menschen», antwortet die Grossmutter, die die Männer offenbar für russische Truppen hält.

«Ich werde mich jetzt bedanken und erkenntlich zeigen, dafür dass Sie gewartet haben», sagt der Ukrainer sarkastisch. Dann überreicht er der Frau eine Tüte mit Lebensmitteln. «Ruhm der Ukraine!», sagt der Soldat der sichtlich verdutzten Frau, nimmt ihr die Sowjetflagge aus der Hand, wirft diese zu Boden und steht mit den Füssen drauf. Die Frau ist von der Aktion der Männer alles andere als erfreut. Sie packt die Lebensmittel wieder zurück in die Tüte. «Ich will das nicht», sagt sie.

Dann wendet sie sich an die beiden Soldaten: «Das ist die Flagge, für die meine Eltern gekämpft und gestorben sind! Und ihr tretet darauf rum!»

Der Soldat antwortet: «Ich trete darauf, weil sie in meine Heimat gekommen sind. Ich spreche jetzt Russisch mit Ihnen. Selbst wenn ich ein ‹Banderite› wär, was spielt es für eine Rolle? Ich kämpfe für mein Land, ich ging nicht zu ihnen.» «Banderiten» ist ein abwertend verwendeter Begriff für Anhänger des ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera. Er hatte mit den Nazis gegen die sowjetische Armee gekämpft und war an der Ermordung von Juden beteiligt.

Kritik am Verhalten der Soldaten

In einem anderen Video, das die Fortsetzung des Gesprächs zeigt, beschwert sich das Grosi darüber, dass es seit zwei Monaten keine Rente erhalten habe. «Und wer ist schuld daran?», fragt sie der Soldat. «Selenski ist schuld. Weil er sich mit Putin nicht einigen konnte», ruft die Frau. «Wie soll das denn gehen, sollen wir uns etwa ergeben?», fragt der Mann hinter der Kamera. Doch die Frau bleibt bei ihrer Meinung und die Soldaten machen sich auf den Weg. Die Sowjetflagge der Grossmutter nehmen sie mit.

Das Verhalten der ukrainischen Soldaten wurde im Netz scharf kritisiert. «Wie kann man nur eine kleine, wehrlose, alte Frau so behandeln. Sie sollten sich schämen», schreibt eine Userin. «Sie können auf eine Fahne treten, aber wenn sie die Tüte zurückgibt, wird sie immer stärker sein!», schreibt ein Mann.

Graffitis und Denkmäler

Seither wird das Video in den russischen Staatsmedien fleissig verbreitet. Während die Soldaten der Schikane beschuldigt werden, wird die Grossmutter zu einer Heldin und zum Symbol der prorussischen Ukraine, die sich den «Nationalisten» mutig in den Weg stelle. Eine Grossmutter, die die «Siegesfahne nicht gegen Lebensmittel eintauscht», lautete eine der Schlagzeilen.

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Es blieb nicht nur bei den Medienberichten. Zahlreiche Graffitis, Plakate und Denkmäler wurden von der ukrainischen Rentnerin angefertigt. Sogar in Mariupol wurde die Statue bereits feierlich platziert. Zwei hochrangige Beamte aus Russland waren extra angereist. «Oma Anna wurde zu einem lebenden Symbol für die Kontinuität der Generationen, für die Kontinuität des Kampfes gegen den Nazismus und den Faschismus. Sie ist eine Grossmutter für den gesamten Donbass und für ganz Russland geworden», sagte Sergej Kirijenko (59), Leiter des politischen Blocks in Putins Verwaltung.

«Schmalzfleisch oder Glaube»

Eine weitere Figur soll am 9. Mai – dem Tag des Sieges über Nazi-Deutschland – in der russischen Stadt Woronesch aufgestellt werden.

Der Schnitzer Alexander Iwtschenko (42) sagt im Interview mit «Meduza»: «Die Grossmutter symbolisiert für mich den kategorischen Imperativ nach Kant. In ihren Händen hält sie die Fahne. Sie bedeutet für sie ‹Das, wofür meine Eltern gekämpft haben›. Das ist alles, woran sie glaubt. Das, was in keiner Weise spürbar ist, aber den Sinn ihres Lebens ausmacht. Auf der anderen Seite befindet sich die Tüte mit diesem Konsumdenken – dem Schmalzfleisch».

Für die Aktion der Soldaten habe er kein Verständnis. «Was geht im Kopf der Leute ab, mit denen wir eine gemeinsame Geschichte haben?» Auch sie seien schliesslich ein Teil der Sowjetunion gewesen, das sei auch ihre Vergangenheit. «Auch sie haben Grossväter, die unter dieser Flagge gekämpft haben.»

Sowjetsymbolik vereint Putin-Unterstützer

Die sowjetische Vergangenheit wird nicht erst seit der Grossmutter mit der Flagge wieder omnipräsent im russischen Alltag. Die russische Regierung greift immer mehr auf die sowjetischen Symbole zurück, die bei vielen Menschen nostalgische Gefühle auslösen.

Bei der Parade zum Tag des Sieges am 9. Mai sollen Militärfahrzeuge mit roten Fahnen, statt solcher mit militärischen Formationen, über den roten Platz rollen.

Gegenüber «Meduza» erzählt eine anonyme Quelle aus dem Umfeld der präsidialen Verwaltung, dass das kein Zufall sei. Im Gegenteil – es sei eine «logische Fortsetzung der Rhetorik der Behörden über den Kampf gegen ‹Nazis› in der Ukraine.» Der Begriff «Nationalsozialismus» ziehe «automatisch die ganze Assoziationskette nach sich». Einschliesslich der Symbole. Im Sinne von: «Lasst uns die Heldentat unserer Grossväter wiederholen». Denn die Sowjet-Symbolik sei «das einzige verbindende Konstrukt für Russen im Alter von 45-50 Jahren, die den Kern der Unterstützung sowohl für die Regierung als auch für den Krieg bilden».

Grossmutter taucht in zweitem Video auf

Während die ukrainische Grossmutter in Russland eine immer grössere Berühmtheit wird, taucht sie nun auch in den ukrainischen Medien auf. Das staatliche Zentrum für strategische Kommunikation und Informationssicherheit hat ein Video publiziert, das eine Frau mutmasslich in einem Spital zeigt. Es soll sich dabei um dieselbe Rentnerin namens Anna Iwanowa handeln.

«Ich möchte diese Berühmtheit nicht»
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Propaganda-Oma:«Ich möchte diese Berühmtheit nicht»

Sie sei nun gar nicht mehr so glücklich über die Anwesenheit der russischen Soldaten in der Ukraine, weil ihr Haus von einer russischen Granate getroffen worden sei. Sie habe nach Charkiw evakuiert werden müssen. «Es ist sicherlich eine miese Sache, dass Russland auf diese Weise gegen uns in den Krieg gezogen ist. Sehr lausig. Ich hätte nicht gedacht, dass es uns so erschüttern würde.»

Auf die Bemerkung des Filmenden, dass sie jetzt eine «Berühmtheit» sei, antwortete die Frau, dass «es besser wäre, wenn es keine Berühmtheit und keinen Krieg gäbe». «Ich wollte den Russen nur gratulieren, dass sie gekommen sind, und ihnen sagen, dass sie hier nicht mehr zertrümmern, sondern die Probleme friedlich lösen sollen», fügte sie hinzu. (man)

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