Die Sprengung des Kachowka-Staudamms in Cherson diese Woche hat die Gefahr einer nuklearen Katastrophe einmal mehr ins Zentrum gerückt. Der Grund: Das Kernkraftwerk Saporischschja liegt direkt am Kachowkaer Stausee und bezieht sein Kühlwasser normalerweise aus dem Kachowka-Stausee.
Doch nicht nur in Saporischschja lauert die Gefahr eines atomaren Desasters à la Tschernobyl. Auch auf der Krim soll das Risiko einer chemischen Katastrophe wachsen, wie ukrainische Nachrichtenagenturen berichten.
«Die Anlage ist bereits vollständig vermint»
Demnach sollen russische Armeeingenieure Sprengsätze an der chemischen Industrieanlage Krim-Titan angebracht haben. Diese befindet sich in der Stadt Armjansk im Norden der von Russland annektierten Halbinsel. «Die Anlage ist bereits vollständig vermint, einschliesslich der Behälter mit Säure, Chlor und Reagenzien», sagte der ukrainische Militäranalytiker Roman Switan (59) der ukrainischen Wochenzeitung «Kyiv Post».
Käme es zu einer Explosion, dürfte dies fatale Folgen haben. Denn die Industrieanlage befinde sich in der Nähe eines Reservoirs für giftige Säuren.
Oleksandr Prokudin (39), der von der Ukraine ernannte Leiter der Militärverwaltung der Region Cherson, warnte kürzlich in einem auf Telegram erschienenen Video eindringlich vor den Folgen eines solchen Vorfalls. Demnach dürfte die Sprengung der Krim-Titan «Tausende von Tonnen giftiger Substanzen in die Atmosphäre freisetzen» und einen Zwischenfall «schlimmer als Tschernobyl» verursachen.
Russen haben Angst, dass ukrainische Streitkräfte Armjansk angreifen
Gemäss dem ukrainischen Militäranalytiker Switan gibt es einen strategischen Grund für die Anbringung des Sprengstoffs. «Die Russen haben gesehen, dass die ukrainischen Streitkräfte den Fluss Dnjepr überqueren und Armjansk angreifen könnten», so der Ukrainer zur Zeitung.
Die Sprengung der Industrieanlage wäre für die Russen deshalb militärisch sinnvoll, da die chemischen Emissionen die Bewegung der ukrainischen Streitkräfte verlangsamen könnten.
Immer wieder Anschläge auf kritische Infrastruktur
Die Krim-Titan mit fast 5000 Mitarbeitenden ist eine der grössten osteuropäischen Hersteller von Titandioxid für die chemische Industrie. Dabei handelt es sich um eine Chemikalie, die in Farben, Sonnenschutzmitteln, Medikamenten und Lebensmittelfarben verwendet wird.
Ob die ukrainischen Militärexperten Recht behalten und die russischen Streitkräfte tatsächlich als Nächstes bei der Krim-Titan zuschlagen werden, ist unklar.
Unwahrscheinlich ist es jedoch nicht – seitdem der russische Präsident Wladimir Putin (70) die Invasion in die Ukraine angeordnet hat, ist es immer wieder zu Angriffen auf die kritische Infrastruktur der Ukraine gekommen. (dzc)