Am 11. und 12. Juli steht der nächste Nato-Gipfel an. Bis dahin will das Bündnis den Beitritt Schwedens unter Dach und Fach gebracht haben. Doch ob das gelingt, ist fraglich.
Seit Monaten torpediert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (69) die Beitrittsgespräche mit den Skandinaviern. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (64) kündigte am Donnerstag in Oslo an, in Kürze nach Ankara reisen zu wollen. Stoltenberg will Druck machen, ihm läuft die Zeit davon.
Schwedens Regierung hat sich jüngst Erdogans Forderungen nach neuen Terrorgesetzen nachgegeben. Sie traten am Donnerstag in Kraft. In dem EU-Land sind die Beteiligung und Unterstützung einer Terrororganisation nun strafbar. Der schwedische Justizminister Gunnar Strömmer (50) machte deutlich, dass schon Transportdienste als Gesetzesverstösse gewertet werden können. Den Tätern drohen Haftstrafen von mehreren Jahren.
«Die nun in Kraft tretende Gesetzgebung wird Schweden neue und wirksame Instrumente geben, um diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die den Terrorismus unterstützen», schrieb der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson (59) in einem Meinungsstück in der «Financial Times». Ein Schlupfloch sei geschlossen worden.
Die Türkei zögert
Kristersson erhofft sich, dass die schärfere Gesetzgebung dazu führt, dass Erdogan seine Blockade des schwedischen Nato-Beitritts aufgibt. Ankara hatte den Schweden zuvor mangelnden Einsatz gegen Terrorismus vorgeworfen. Gemeint war damit insbesondere die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. «Schweden unterstützt die Türkei voll und ganz gegen alle Bedrohungen ihrer nationalen Sicherheit und verurteilt alle Terrororganisationen, einschliesslich der PKK, die Angriffe gegen sie verüben», heisst es in Kristerssons «Financial Times»-Beitrag weiter.
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Schweden und Finnland hatten im Mai den Beitritt zu dem westlichen Verteidigungsbündnis beantragt. Ursächlich für den Antrag auf Mitgliedschaft war der Krieg in der Ukraine. Finnland war Anfang April aufgenommen worden. Die Türkei zögert bislang noch, was die Ratifizierung des schwedischen Antrags angeht.
Die türkische Regierung reagierte am Sonntag aufgebracht, nachdem schwedische Abgeordnete aus Protest gegen die Wiederwahl Erdogans ausgerechnet eine PKK-Flage auf das Parlamentsgebäude projiziert hatten. Ebenfalls nicht gut angekommen war eine Aktion von rechtsextremen Schweden, die im Januar eine Kopie des Korans vor der türkischen Botschaft in Stockholm verbrannt hatten. Ankara drängt in beiden Fällen auf eine Strafverfolgung.
Es ist gut möglich, dass Erdogan die schwedische Regierung bis zum 11. Juli auf die Probe stellen wird. Dazu wurden der schwedischen Justiz Listen mit bis zu 130 Personen übermittelt, die von den türkischen Strafverfolgungsbehörden des Terrorismus bezichtigt werden.
Erdogans Macht-Poker
Ein osteuropäischer Diplomat bemerkte gegenüber CNN, dass jede Verzögerung der Aufnahme Schwedens nicht nur «die Feinde» der Nato «ermutigt», sondern auch das Risiko erhöht, «dass der Eindruck entstehen könnte, Erdogan habe Macht über das Bündnis». Der Diplomat äusserte seine Sorge: «Erdogan wird den Moment nutzen, um alles aus dieser Situation herauszuholen und den Ball ins Feld der Schweden zu werfen – um sie so zur Geisel ihrer (eigenen) Antiterrorgesetze zu machen.»
Erdogan geht aus dem Poker schon jetzt mit einem Sieg heraus. Die über Jahre blockierte Modernisierung seiner Luftwaffe scheint näher zu rücken. Hier kommen die USA ins Spiel. Präsident Joe Biden (80) hat am Dienstag angekündigt, die Modernisierung der türkischen F-16-Jets zu billigen. «Ich habe ihm gesagt, dass wir ein Abkommen mit Schweden wollen. Also lasst uns das hinbekommen», hatte Biden am Montag nach der Wiederwahl Erdogans betont.
Sollte sich dennoch bis Mitte Juli keine Einigung ergeben, droht neben einem Riss im Bündnis auch eine weitere Isolation der Türkei. Bis dahin wird der Autokrat Erdogan weiter pokern.