Türkei will ins Anti-West-Bündnis der Brics-Staaten
Erdogan bandelt mit Putin und Xi an

Die Türkei will als erstes Nato-Mitglied dem antiwestlichen Bündnis der Brics-Staaten beitreten. Was wird nun aus dem EU-Beitritt? Experten erklären, welches Ziel Erdogan wirklich anpeilt.
Publiziert: 06.09.2024 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2024 um 08:46 Uhr
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sucht die Nähe zu Wladimir Putin.
Foto: AFP
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Guido FelderAusland-Redaktor

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (70) provoziert einmal mehr den Westen: Die Türkei will der Gruppe der Brics-Staaten beitreten, in der China und Russland den Ton angeben. Brisant: Die Türkei ist auch Mitglied des westlichen Militärbündnisses Nato und möchte zudem in die EU aufgenommen werden.

Mit dem Beitritt in die Brics will Erdogan nicht nur Druck gegen Westen erzeugen. Er hat auch ein hochgestecktes Ziel vor Augen.

Günter Maihold (67), Brics-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, sagt gegenüber Blick: «Die Türkei strebt eine weltpolitische Rolle an.» So wolle sich die Türkei nicht nur als regionale Ordnungsmacht darstellen, sondern auch im globalen Massstab aufgewertet werden.

Daher suche sie nach Möglichkeiten, um internationales Prestige zu gewinnen und von den Grossmächten in dieser Rolle auch anerkannt zu werden, sagt Maihold. «Brics ist dabei ein Forum, das durch den erfolgten Erweiterungsprozess und als Forum wichtiger aufsteigender Mächte interessant ist.»

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Dieses Jahr liegt der Vorsitz der Brics-Staaten bei Russland.
Foto: keystone-sda.ch

Kein EU-Beitritt in Sicht

Ali Sonay (40), Türkei-Experte an der Uni Bern, ergänzt: «Durch diese Positionierung versucht Ankara, den wirtschaftlichen Spielraum, aber auch die geopolitische Bedeutung zu erhöhen, um so gewisse Konzessionen zu erlangen – etwa bei den EU-Beitrittsverhandlungen oder der US-Unterstützung für kurdische Gruppen in Nordsyrien.»

Allerdings geht Sonay davon aus, dass sich bei einem Brics-Beitritt das Misstrauen des Westens gegenüber der Türkei erhöhen dürfte. Sonay: «Damit wird es bei den genannten strittigen Themen in absehbarer Zeit zu keiner Bewegung kommen.»

2005 hatte Ankara Gespräche mit Brüssel über einen EU-Beitritt aufgenommen. Diese sind aber ins Stocken geraten, da Erdogan die demokratischen Rechte abbaut und der Konflikt mit dem EU-Mitglied Zypern nicht gelöst ist. 

Nato ist wachsam

Reibungsfläche dürfte es auch geben, wenn die Türkei als erstes Nato-Mitglied in die Brics aufgenommen würde. Das 1952 zur Nato gestossene Land stellt nach den USA die grösste Armee im Bündnis und verfügt mit Incirlik und Konya über zwei bedeutende Nato-Luftwaffenstützpunkte. 

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Die Nato würde die Türkei bei einem Brics-Beitritt unter genaue Beobachtung stellen. Sonay: «Es dürften sich weitere Fragen bezüglich der Verlässlichkeit ergeben. So hat die Türkei ja bereits das russische Raketenabwehrsystem S-400 erworben, woraufhin die USA das Land 2019 aus dem F-35-Programm entfernt haben.» 

Gegenpol zum Westen

Die ursprünglichen Brics-Staaten sind Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Inzwischen sind auch Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate beigetreten. Weitere Interessenten sind Länder wie Indonesien, Nordkorea, Thailand und Venezuela. 

Ziel der Allianz ist es, ein Gegengewicht zur geopolitischen und wirtschaftlichen Dominanz des Westens zu bilden. Auch ihre Abhängigkeit vom US-Dollar als globale Leitwährung möchten die Brics-Länder reduzieren. Sie machen nach eigenen Angaben bisher 42 Prozent der Weltbevölkerung, 30 Prozent der globalen Landfläche und 24 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Im Jahre 2020 haben die Brics-Staaten die G7-Staaten beim Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überholt. 

Die Brics haben keine permanenten Organe, sondern wirken vor allem bei ihren Gipfeltreffen. Das Präsidium wechselt jedes Jahr. Günter Maihold: «Da das Präsidium zurzeit bei Russland liegt, versucht Moskau, mögliche Interessenten anzusprechen und bei Laune zu halten.»

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