Es ist das Ziel von Xi Jinping (71) und Wladimir Putin (71), die Welt auf den Kopf zu stellen. Nichts soll mehr so sein, wie es bisher war. Vor allem: Die Vorherrschaft des Westens soll zurückgebunden werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, suchen die Präsidenten von China und Russland nach Partnern, mit denen sie Bündnisse aufbauen. Das eine sind die Brics-Staaten, zu denen auch Indien, Brasilien, Südafrika und – seit neustem – vier weitere Staaten gehören. Das andere Bündnis ist die eher unbekannte Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), die in diesen Tagen den ersten europäischen Staat aufnimmt. Ein Grund zur Sorge?
Treffen in Kasachstan
Diese Woche treffen sich die Mitglieder der SCO in Astana, der Hauptstadt Kasachstans, zum jährlichen Gipfel. Ein Traktandum: die Aufnahme des Russland-Verbündeten Belarus. Inzwischen umfasst die 2001 gegründete SCO nebst den Gründungsmitgliedern Russland, China, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan auch Indien, Pakistan, Iran und eben Belarus. Staaten mit Beobachterstatus sind Afghanistan und die Mongolei. Weitere Länder wie die Türkei, Aserbaidschan, Armenien und Sri Lanka gelten als «Dialogpartner».
Das offizielle Ziel der SCO besteht darin, die Sicherheit und den Handel unter den Partnern auszubauen. Aber es geht auch darum, «eine neue demokratische, gerechte und rationale politische und wirtschaftliche internationale Ordnung zu fördern».
Untereinander zerstritten
Doch so schlagkräftig ist diese SCO gar nicht. Ihr Motor gerät ins Stocken. Denn einerseits sind Mitglieder untereinander zerstritten – wie etwa Indien und China oder Indien und Pakistan. Andererseits passt es einigen nicht, sich vom Westen abzuwenden. So hat sich Indiens Premierminister Narendra Modi (73) für den Gipfel entschuldigt. Und letztes Jahr nahm er nur virtuell am Treffen teil. Dafür wird Modi kommende Woche direkt mit Putin zusammentreffen.
Ähnliches Unbehagen teilen auch zentralasiatische Staaten, etwa Kasachstan, das sich weigert, Russlands Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen.
Obwohl China und Moskau bestrebt sind, die SCO als Gegengewicht zu westlichen Institutionen zu positionieren, bleibt sie im Vergleich etwa mit der Nato, der EU oder der G7 ein viel weniger geeinter und gleichzeitig auch viel schwächerer Block.
EU soll Chance ergreifen
Laut Russland-Experte Ulrich Schmid geht es bei der SCO weniger um eine direkte Zusammenarbeit, sondern mehr um die Etablierung eines antiwestlichen Souveränitätsdiskurses. Schmid: «Wie die Brics ist die SCO eine sehr heterogene Organisation, die kaum über gemeinsame positive Werte verfügt, sondern ein Zweckbündnis autoritärer Staaten mit ausgeprägten Eigeninteressen darstellt.»
Für Eva Seiwert, Analystin beim Mercator Institute for China Studies in Berlin, ist die Schwäche der SCO Gelegenheit für die EU, ihr Engagement in Zentralasien zu verstärken. Bisher ist die Union für 42 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in der Region verantwortlich. Seiwert: «Europa kann auf seiner Position aufbauen, um attraktivere Partnerschaften anzubieten, die sich auf konkrete Zusammenarbeit konzentrieren.»