Darum gehts
Es beginnt mit einem Bühnenbild wie aus einem patriotischen Schultheater: Flaggen, Fünfstern-Generalton und Kinder in Reih und Glied. Nur, dass in diesem Fall kein Musical aufgeführt wird, sondern ein Ministerium beerdigt. Im Weissen Haus inszeniert US-Präsident Donald Trump (78) die Auflösung des Bildungsministeriums als Show fürs Familienalbum. Im Publikum: Kinder in einem nachgebauten Klassenzimmer, jedes mit einem eigenen Mini-Dekret zum Nachzeichnen. Die Inszenierung: kindlich. Die Konsequenzen: alles andere als harmlos.
Trump nennt es eine Rückgabe der Bildungshoheit an die Bundesstaaten. Linda McMahon (76), Gründerin der Wrestling-Föderation WWE und nun Trumps Bildungsministerin, wurde mit der Umsetzung des Kahlschlags beauftragt – eine Mission, die dem Begriff «Bildungskampf» eine neue Note verleiht. Als ersten Schritt entliess sie bereits fast die Hälfte der Mitarbeitenden – 2000 von 4100 Angestellten. Ihr selbst erklärtes Ziel: sich selbst obsolet zu machen.
Was wirklich auf dem Spiel steht
Trumps Begründung für den Kahlschlag im Bildungsministerium: 70 Prozent der Achtklässler seien nicht lesekompetent, 40 Prozent der Viertklässler könnten keine einfachen Texte verstehen. Fakt ist: Das amerikanische Bildungssystem schwächelt seit Jahren. Auch unter Joe Biden (82) stand es schlecht um die Bildung in den USA – auch wegen mangelnder finanzieller Unterstützung vom Staat. Nur zwei Prozent des jährlichen Bundeshaushalts wurden für Bildung ausgegeben. Trump ist allerdings der Meinung, dass das Bildungsministerium selbst Schuld trage. Als würde ein Orthopäde einen verstauchten Fuss gleich amputieren.
Dass das Ministerium keinerlei Einfluss darauf hat, was gelehrt wird – geschenkt. Ebenso, dass der überwiegende Teil der Schulfinanzierung längst von Bundesstaaten und Gemeinden kommt. Was bei einer Auflösung verloren geht, sind die schützenden Funktionen des Bildungsministeriums: Bundesweite Standards für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, Schutz vor Diskriminierung an Schulen, Aufsicht über Schulbezirke, die Bücher über LGBTQ-Themen oder afroamerikanische Geschichte verbieten. All das – so die neue Regierung – sei Ballast. «Bürokratie», sagt Trump. «Indoktrination», rufen seine Verbündeten. Politische Subtilität war nie das Steckenpferd dieser Regierung.
In den USA hängt der Zugang zu Bildung oft vom Wohnort, vom Einkommen, der Hautfarbe ab. Das Bildungsministerium versucht zumindest, die schlimmsten Ungleichheiten abzufedern. Ohne diese Instanz entscheidet künftig die Postleitzahl über den Bildungshorizont. Denn: Private Schulen, die bisher keine Bundesgelder erhielten und laut Trump nun stärker gefördert werden sollten, sind von Antidiskriminierungsgesetzen ausgenommen. Sie müssen auch keine Förderpläne für Kinder mit Lernbehinderungen erstellen. Oder Kindern, die es sich sonst nicht leisten könnten, eine Ausbildung ermöglichen.
Ein alter republikanischer Traum
Ein vollständiger Kahlschlag bleibt jedoch vorerst unwahrscheinlich: Ohne Zustimmung des Kongresses lässt sich das Ministerium nicht ausradieren. Und im Senat braucht es dafür eine Mehrheit – also auch Stimmen von Demokraten, die Trumps Plan hart kritisieren. Wahrscheinlicher ist eine andere Strategie: das Ministerium so sehr auszuhöhlen, dass es als leere Hülle zurückbleibt. Funktionslos, machtlos, aber immerhin günstig im Unterhalt.
Trump ist nicht der erste Präsident, der das Bildungsministerium abschaffen will. Schon Ronald Reagan wollte es loswerden, auch damals ohne Erfolg. Doch heute trifft die Idee auf eine radikalisierte politische Landschaft: Gouverneure wie Ron DeSantis oder Kim Reynolds betreiben Bücherverbote, Inhalte zu LGBTQ gelten als toxisch, und «Wokeness» ist zur staatlichen Bedrohung erklärt worden. So ist Trumps Dekret Teil einer systematischen Entkernung dessen, was Bildung in einem demokratischen Staat leisten sollte.
Bleibt also die Frage: Geht das US-Bildungssystem jetzt komplett den Bach runter? Es bleibt abzuwarten. Was sicher ist: Die Amerikaner sind drauf und dran, sich von einem Staat zu verabschieden, der Bildung als öffentliches Gut versteht. Bildung wird noch mehr zur Privatsache – für die, die es sich leisten können. Der Rest darf zusehen, wie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten in Bildungsfragen unbegrenzt scheitert.