Auf einen Blick
- Scholz will Vertrauensfrage vor Weihnachten stellen
- Er setzt auf Zusammenarbeit mit dem zukünftigen US-Präsidenten Trump
- Will «demnächst» mit Russlands Präsident Putin reden
- Betont Unterschiede zu Unions-Fraktionschef Merz
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition in Berlin hat sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (66) erstmals ausführlich im TV geäussert. In der ARD-Sendung «Caren Miosga» erklärte er am Sonntagabend unter anderem, er sei dazu bereit, die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten zu stellen. Scholz stand unter erheblichem Druck, nachdem er die Vertrauensfrage ursprünglich für den 15. Januar und eine vorgezogene Bundestagswahl für Ende März vorgeschlagen hatte.
Scholz kam bei dem Interview noch auf andere brennende Themen zu sprechen. So ging es etwa um das Verhältnis Deutschlands zu den USA und die Wahl des neuen Präsidenten Donald Trump (78). Auch Russland und der Krieg in der Ukraine kamen zur Sprache.
Er will Rückstand zu CDU/CSU wieder aufholen
Scholz' SPD liegt in Umfragen aktuell 15 bis 18 Prozentpunkte hinter CDU und CSU, die mit CDU-Parteichef Friedrich Merz (68) ins Rennen um das Kanzleramt steigen. Die Unterschiede in Charakter und Temperament zwischen ihnen seien gross, sagte Scholz in der Sendung. «Ich finde mich etwas cooler, wenn es Staatsangelegenheiten betrifft – um es mal so höflich zu sagen, wie es mir gerade gelingt.» Ausserdem hätten sie beide sehr unterschiedliche politische Ziele.
Anders als Merz ist Scholz noch nicht offiziell als Kanzlerkandidat seiner Partei nominiert. Er habe aber keine Zweifel, dass er aufgestellt werde, sagte er. Und er glaube daran, den in den Umfragen sichtbaren, deutlichen Rückstand der SPD zur Union noch umzukehren. «Das ist eine sehr aufholbare Grössenordnung», sagte er.
Auf das Thema Vertrauensfrage angesprochen, überraschte der Sozialdemokrat und behauptete, eine Vertrauensfrage im Dezember sei für ihn «überhaupt kein Problem». Gleichzeitig nahm er sich aber aus der Verantwortung. Er wolle mit der Bestimmung des Termins nichts mehr zu tun haben. Stattdessen sollten sich Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und der SPD-Chef im Bundestag, Rolf Mützenich (65), darüber einig werden, wann Scholz die Vertrauensfrage stellen solle.
Scholz räumte zwar ein, dass er als Kanzler diesen Schritt formal auslösen müsse. Er beharrte dennoch darauf: «Wenn sich Mützenich und Merz einigen, daran werde ich mich orientieren.»
«Getanzt wird mit denen, die im Saal sind»
In Bezug auf eine Zusammenarbeit mit dem zukünftigen US-Präsidenten Trump gab sich Scholz gelassen. «Ich bin da nie naiv, aber auch immer ein bisschen unerschrocken», sagte der Bundeskanzler. Er setze weiterhin auf eine gut funktionierende transatlantische Zusammenarbeit. «Mein Prinzip ist immer, wenn ich das so flapsig sagen darf: Getanzt wird mit denen, die im Saal sind. Und das gilt auch für den künftigen Präsidenten der USA.»
Scholz machte klar, dass er von Trump die Einhaltung der Zusage des noch amtierenden Präsidenten Joe Biden (81) erwarte, US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. «Das ist eine Vereinbarung, die wir mit den USA getroffen haben. Sie ist in unserem gemeinsamen Interesse. Also will ich das annehmen.»
Seitenhieb gegen Musk, neuer Gesprächsfaden nach Russland
Auch zu einer Kritik des Trump-Unterstützers und Tech-Milliardärs Elon Musk (53) an dem Bruch der Ampel-Koalition äusserte sich Scholz in dem Interview. Musk hatte auf der Online-Plattform X auf Deutsch geschrieben: «Olaf ist ein Narr.» Scholz sagte auf die Frage, ob ihn das irritiere: «Es adelt mich.» Dann fügte er hinzu: «Ich kommentiere keine Tech-Milliardäre, ein Staatschef ist er nicht, auch wenn man manchmal den Eindruck hat, mancher Tech-Kozern sei mächtiger als Staaten.»
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sagte Scholz, er wolle «demnächst» wieder den Gesprächsfaden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) aufnehmen. «Ja, ich habe mir vorgenommen, mit dem russischen Präsidenten zur richtigen Zeit zu sprechen», sagte der SPD-Mann. «Aber ich bin ein verantwortlicher Politiker, ich mache das nicht im Alleingang.» Ein Gespräch mit Putin setze viele Kontakte und Gespräche mit sehr vielen anderen voraus.
Auch mit der Ukraine müsse über die Situation gesprochen werden, sagte Scholz. Auf die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch mit Putin wäre, antwortete er: «Demnächst.»
Telefonat mit Trump
Bereits stattgefunden hat ein erstes Telefongespräch mit dem designierten US-Präsidenten nach den Wahlen. Scholz bot Trump an, «die seit Jahrzehnten erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Regierungen beider Länder fortzusetzen».
In dem Gespräch gratulierte Scholz Trump darüber hinaus noch einmal persönlich zu dessen Wahlsieg, teilt Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Beide seien sich in dem Gespräch am Sonntagabend einig gewesen, gemeinsam auf eine Rückkehr des Friedens in Europa hinzuarbeiten. Zudem hätten sie sich zum deutsch-amerikanischen Verhältnis und den aktuellen geopolitischen Herausforderungen ausgetauscht.