Auf einen Blick
- Scholz und Lindner uneinig über Schuldenbremse und Ukraine-Hilfen
- Merz fordert schnelle Neuwahlen und macht Druck bei Vertrauensfrage
- CDU stärkste Kraft mit 30 Prozent in Umfragen
Nach dem Streit ist vor dem Streit: Die Ampel-Koalition zerbrach, weil sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) und sein Finanzminister Christian Lindner (45, FDP) nicht über die Schuldenbremse und Ukraine-Hilfen einig wurden. Kaum war klar, dass die Regierung nicht länger bestehen würde, wurde schon der nächste Zwist vom Zaun gebrochen. Dieses Mal war es CDU-Chef Friedrich Merz (68), der vom Sozialdemokraten forderte, die Vertrauensfrage so schnell wie möglich zu stellen, um rasche Neuwahlen zu ermöglichen.
Wer Olaf Scholz kennt, weiss, dass er mitunter sehr stur sein kann. Und dass er sich gerne Zeit für seine Entscheidungen nimmt, abwartet und beobachtet. Kritiker werfen ihm deshalb vor, ein Zauderer zu sein. Merz gehörte in den vergangenen Monaten zu den lautesten von ihnen.
Scholz will «geruhsam ins neue Jahr gehen»
So verwunderte es nicht, dass Scholz beim Treffen der beiden Spitzenpolitiker am Donnerstag nicht den Hauch einer Kompromissbereitschaft signalisierte. Erst am Freitag zeigte Scholz Verhandlungsbereitschaft. In einem Post auf X kündigte er an, «zügig» Neuwahlen zu ermöglichen. Den genauen Termin wolle er jedoch «unaufgeregt» besprechen, fügte Scholz hinzu.
Er appellierte an die Bundestagsfraktionen, sich gemeinsam auf wichtige Gesetze zu einigen, die noch verabschiedet werden sollen. Dies könne «beantworten, wann der richtige Zeitpunkt für die Vertrauensfrage ist».
Mehr zum Ampel-Aus
Die zögerliche Haltung brachte Merz am Donnerstag zur Weissglut. Laut Merz soll Scholz ihm gesagt haben, man müsse «geruhsam ins neue Jahr gehen». Nach dem Motto: Eine verlorene Vertrauensfrage passt nicht in die Weihnachtszeit.
Wird Merz der nächste Kanzler?
Die CDU ist mit 30 Prozent in den Umfragen die derzeit stärkste Kraft in Deutschland. Sie ist aktuell stärker als die drei Ampel-Parteien zusammen. Merz dürfte schon vom Wahlsieg und der Kanzlerschaft träumen.
Dabei haben beide, Scholz und Merz, ein entscheidendes Problem: Sie sind beim Volk unbeliebt. Merz brachte es im ZDF Politbarometer Mitte Oktober gerade einmal auf den vierten Platz. Scholz war sogar noch unbeliebter, rangierte im Ranking nur auf Platz 7 – hinter der teils unglücklich agierenden Aussenministerin Annalena Baerbock (43, Grüne) und Vizekanzler Robert Habeck (55), dem viele Deutsche die Schuld an der wirtschaftlichen Misere der vergangenen Monate geben. Zeitweise war Scholz in den Umfragen auch der unbeliebteste Bundeskanzler, den Deutschland jemals hatte. Für viele Deutsche ist inzwischen klar: Der hölzerne und unnahbare Scholz – das Gesicht der Krise – muss weg!
Merz und die Vergewaltigung in der Ehe
Merz seinerseits verfügt ebenfalls eher über bescheidene Beliebtheitswerte – insbesondere bei jungen Frauen. Nur 9 Prozent der Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren würden dem früheren Wirtschaftsanwalt laut einer Forsa-Umfrage aus dem Oktober ihre Stimme geben. Einst stimmte er gegen den Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe. Kurzum: Der Christdemokrat Merz gilt bei Frauen und Linken als eine Art Antichrist.
Trotz der Altlasten des ehemaligen BlackRock-Managers stehen die Christdemokraten mittlerweile geschlossen hinter ihm. Seine Konkurrenten, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (57) und der Ministerpräsident des westlichen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (49), haben ihre Ambitionen auf das Kanzleramt aufgegeben.
Immer wieder bekräftigte auch die SPD-Spitze ihre Unterstützung für Scholz. Die Vorsitzende Saskia Esken (63) betonte diese Woche in der ARD, dass sie an Scholz trotz seiner schlechten Beliebtheitswerte festhalten will.
Wahl zwischen Pest und Cholera
Vielen Deutschen dürfte die Entscheidung bei den Neuwahlen somit wie eine Wahl zwischen Pest und Cholera vorkommen. Ein wahrscheinliches Szenario dann: Die beiden Unbeliebten müssen zusammen regieren. Durch die weiterhin starke Alternative für Deutschland (AfD) könnte es im Frühjahr darauf hinauslaufen, dass eine neue Grosse Koalition aus SPD und CDU den Rechtsruck verhindern muss.
Die Rechtspopulisten stehen in einer Befragung der Forschungsgruppe Wahlen vom Freitag bei 18 Prozent und damit zwei Prozent besser als die SPD da. Schon in der letzten Grossen Koalition von 2018 bis 2021 unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel (70) gab es immer wieder Zoff zwischen den beiden Volksparteien. Weitere Streitereien zwischen Merz und Scholz wären bei einer Neuauflage im kommenden Jahr vorprogrammiert.