Tragödie an der belarussisch-polnischen Grenze
Toter Bub (†1) im Wald gefunden

Tausende Flüchtlinge harren bei eisiger Kälte an der polnischen Grenze. Die Situation ist dramatisch. Nun ist ein kleiner Junge gestorben.
Publiziert: 19.11.2021 um 11:37 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2021 um 15:02 Uhr
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Tausende Migranten harren bei eisiger Kälter an der Grenze zu Polen aus.
Foto: keystone-sda.ch

Seit rund anderthalb Wochen harren an der belarussisch-polnischen Grenze Tausende Migranten aus und hoffen auf eine Weiterreise in die EU. Viele von ihnen stammen aus dem Irak, aus Syrien oder Afghanistan. Sie sitzen fest – und das bei eisigen Temperaturen. Inzwischen sind 13 Menschen gestorben, wie «The Guardian» berichtet. Das jüngste Opfer: ein Junge aus Syrien. Gerade mal ein Jahr alt. Das berichten polnische Ärzte vor Ort. Wie der Bub ums Leben kam, ist noch unklar.

Die Nachricht sorgt für Entsetzen. So auch bei David Sassoli, der Präsident des EU-Parlamentes. «Es ist herzzerreissend, ein Kind in der Kälte vor den Toren der EU sterben zu sehen», schrieb der 65-Jährige auf Twitter. Diese Unmenschlichkeit müsse endlich aufhören.

Flüchtlinge in Logistikzentrum gebracht

Die Lage an der Grenze ist weiterhin angespannt. Der Grenzschutz in Belarus hat inzwischen ein provisorisches Flüchtlingslager an der Grenze zu Polen geräumt. Am Donnerstag seien alle Migranten aus dem Lager nahe dem Grenzübergang Bruzgi in ein nahegelegenes Logistikzentrum gebracht worden, erklärte der belarussische Grenzschutz im Messenger-Dienst Telegram.

Die Behörden veröffentlichten auch Fotos des offenbar verlassenen Lagers, in dem rund 2000 Menschen tagelang bei eisigen Temperaturen ausgeharrt hatten.

Die Flüchtlinge, darunter viele Kurden aus dem Nordirak, hatten das Lager in einem Waldgebiet unweit des Grenzübergangs Bruzgi errichtet. Am Dienstag hatten polnische Sicherheitskräfte dort Tränengas und Wasserwerfer gegen Flüchtlinge eingesetzt, die Steine geworfen hatten. Der polnische Grenzschutz bestätigte nun die Evakuierung des Lagers.

Vorwurf an Lukaschenko

Am Dienstagabend waren bereits mehr als Tausend Menschen aus dem Lager in eine riesige Lagerhalle gebracht worden. Doch rund 800 weitere hatten nach Angaben der belarussischen Behörden bei Temperaturen unter 0 Grad weiter in Zelten oder an Lagerfeuern im Freien geschlafen.

Diese Migranten wurden wegen «schlechter werdender Wetterbedingungen» nun ebenfalls in die Lagerhalle gebracht, wie der belarussische Grenzschutz mitteilte. Dort erhalten sie demnach warmes Essen und warme Kleidung.

An der EU-Aussengrenze zu Belarus, besonders an der Grenze zu Polen, sitzen seit Wochen Tausende Flüchtlinge aus dem Nahen Osten fest. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, die Flüchtlinge absichtlich ins Grenzgebiet zur EU geschleust zu haben.

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500 Migranten versuchten, über die Grenze zu kommen

Die Lage an der Grenze war zuletzt äusserst angespannt. Polen hat einen Grenzzaun errichtet und mehr als 15'000 Sicherheitskräfte an der Grenze zusammengezogen. Sie nahmen nach Angaben aus Warschau in der Nacht zum Donnerstag rund 200 Flüchtlinge fest, die versucht hatten, die Grenze nach Polen zu überqueren.

Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes versuchten insgesamt rund 500 Migranten, die Grenze zu überqueren. Dabei seien fünf Menschen, die alle zur selben Familie gehörten, verletzt worden. Die Verletzten, darunter drei Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren, wurden in ein Spital gebracht.

«Humanitärer Korridor nach Deutschland»

Unterdessen brachte ein erster Rückführungsflug 431 Menschen in den Irak zurück, darunter viele Frauen und Kinder. Die Iraqi-Airways-Maschine startete in Minsk und landete am Donnerstagabend in Erbil, der Hauptstadt der nordirakischen Kurdenregion. Nach belarussischen Angaben sollen 5000 der rund 7000 in Belarus gestrandeten Menschen in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Die belarussische Führung hatte unter Verweis auf Merkel von einem «humanitären Korridor nach Deutschland» gesprochen. Die Kanzlerin hatte am Mittwoch zum zweiten Mal mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko telefoniert. Nach Berliner Regierungsangaben ging es dabei um «humanitäre Versorgung und Rückkehrmöglichkeiten der betroffenen Menschen».

Politik will nicht dem Druck nachgeben

Am Donnerstag sagte die belarussische Präsidenten-Sprecherin Natalja Eismont jedoch, Merkel wolle mit der EU über die Schaffung eines humanitären Korridors für die an der Grenze zu Polen festsitzenden Migranten verhandeln.

Seehofer prangerte dies als «Falschmeldung» an, mit der «Druck» ausgeübt und «Stimmung» gemacht werden solle. Deutschland wolle zur humanitären Versorgung der Flüchtlinge auf belarussischer Seite beitragen. «Was wir nicht tun werden, dass wir Flüchtlinge aufnehmen, dass wir dem Druck nachgeben.» Jegliche humanitäre Hilfe habe letztlich zum Ziel, die Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzubringen, sagte der Innenminister. (AFP/jmh)

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