Bislang waren nur Fotos und Phantombilder von ihm veröffentlicht worden. Doch jetzt hallt seine Stimme durch die Talkshows Italiens. Zu hören sind Sätze wie «Ich habe dich gern», aber auch wüste Flüche. Einblicke in das Leben eines Mafia-Bosses. Manche Hörer fragen sich: Ist der wirklich so gefährlich?
Gemeint ist die Stimme von Matteo Messina Denaro (61). Über 30 Jahre war Italiens meistgesuchter Verbrecher auf der Flucht – bis er am 16. Januar 2023 in der Privatklinik La Maddalena in Palermo verhaftet wurde. Italienischen Medien wurden jetzt private Sprachnachrichten des Oberhaupts der sizilianischen Cosa Nostra zugespielt.
Als «Andrea Bonafede» führte er ein erstaunlich normales Leben. Restaurantbesuche, Ausfahrten mit seinem Alfa Giulietta, Treffen mit Liebhaberinnen – all das ist jetzt publik. Denaro reiste gar mit gefälschten Papieren ins Ausland.
Für ihn hielten alle dicht
Im Stau zu stehen, gefiel dem Mafia-Boss überhaupt nicht. Einige Strassen waren gesperrt worden wegen einer Gedenkveranstaltung für den Richter Giovanni Falcone (1939-1992). Seine Sprachnachricht dazu: «Ich bin blockiert wegen des Gedenkens an diesen Dreckskerl, verdammte Scheisse.»
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Denaro beschreibt sich als «Kätzchen». Er sei allein mit sich selbst. «Und wenn mich Leute studieren und versuchen herauszufinden, wer ich bin, dann, verdammt, rege ich mich auf wie eine Bestie.»
Im Örtchen Campobello di Mazara, wo Denaro vier Jahre lang lebte, hielten bis zur Veröffentlichung der Audioaufnahmen alle dicht. Vermutlich aus Angst vor der Mafia. Auch deshalb dauerte es drei Jahrzehnte, bis der Mafia-Boss endlich geschnappt werden konnte.
Im Wohnzimmer: Ein «Der Pate»-Poster
Er lebte in einer stinknormalen Wohnung. Die Polizei fand dort einen Haufen Sportschuhe, ein Zimmer, das wie ein Fitnessstudio hergerichtet war, teure Kleider und schöne Uhren – auch aus der Schweiz.
Im Wohnzimmer hing ein Poster des Films «Der Pate», darauf zu sehen: Marlon Brando (80) als Don Vito Corleone. Eine kleine Bibliothek von rund 50 Büchern besass Denaro ebenfalls, darunter die Biografie von Wladimir Putin (70), «Pablo Escobar, mein Vater», geschrieben vom Sohn des kolumbianischen Drogenbosses und die Autobiografie des Tennisspielers Andre Agassi (52).
Als Erstes erhielt das Programm «Non è l'arena» auf dem kleinen Sender La7 die Audios. Eine Freundin, die Denaro besonders gern hatte, hat den Zugriff auf die Audios ermöglicht.
Kennengelernt hatten sich beide in La Maddalena, wo sie zur Chemotherapie mussten. Sie hielt ihn für einen Lebensmittelindustriellen, was nur halb gelogen war. Denn: Zum Imperium Denaros gehörten auch eine Käserei und eine Olivenölproduktion. (nad)