Spitäler schlagen Corona-Alarm
Warum sterben in Brasilien immer mehr jüngere Patienten?

In Brasilien häufen sich die Meldungen, dass vermehrt jüngere Patienten nach einer Corona-Infektion auf der Intensivstationen landen. Viele sterben auch an der Infektion. Experten glauben, neue Mutationen und Varianten könnten eine Rolle spielen.
Publiziert: 25.03.2021 um 10:41 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2021 um 20:45 Uhr
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In Manaus sind besonders viele Menschen am Coronavirus gestorben. Die Bestatter haben viel zu tun – Sorgen bereitet den Ärzten in ganz Brasilien aber, dass die Zahl der jungen Patienten, die am Virus sterben, zunimmt.
Foto: AFP

Sie war eines der jüngsten Opfer der Corona-Seuche: Graciane da Silva (†28) aus Rio de Janeiro. Im Juni 2020 starb sie nach nur zehn Tagen am Virus. Da Silva hatte keine Vorerkrankungen und hinterliess einen vierjährigen Sohn. Ihr Tod machte Schlagzeilen, weil es zu diesem Zeitpunkt auch in Brasilien ungewöhnlich war, dass das Virus einen so jungen Menschen tötet.

Ein Jahr später sieht die Sache in Brasilien anders aus. Spitäler im ganzen Land melden, dass immer mehr junge Menschen wegen des Coronavirus auf der Intensivstationen liegen – und viele davon auch dort sterben. Das berichtet CNN.

Mehrheit der Infizierten zwischen 30 und 50 Jahre alt

In ganz Brasilien würden Ärzte von Intensivstationen derzeit dasselbe berichten: Die Patienten sind in der aktuellen Infektionswelle in Brasilien so jung wie nie zuvor. Die Mehrheit der Infizierten, die mit einem Arzt in Kontakt kommen, seien zwischen 30 und 50 Jahre alt.

«Auch die Zahl der schweren Krankheitsverläufe ist viel höher als noch während der ersten Welle», sagt Luan Matos de Menezes, ein Arzt, der auf einer Intensivstation in Manaus arbeitet.

Ein Eindruck, den eine Studie stützt, die das brasilianische Gesundheitsministerium kürzlich veröffentlichte: 27 Prozent aller Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion betreffen derzeit Menschen im Alter von 30 bis 59-Jahren. Das sind sieben Prozent mehr als noch im Dezember letzten Jahres.

60 Prozent der jüngeren Patienten mit einer Corona-Infektion landen auf der Intensivstation. Auch diese Zahl ist laut CNN-Bericht in Brasilien so hoch wie noch nie während dieser Pandemie.

Variante spielt eine grosse Rolle

Warum aber sind junge Menschen in Brasilien plötzlich anfälliger auf das Virus geworden? Wissenschaftler glauben, dass dies mit mindestens einer der bekannten Virus-Mutationen in Brasilien zusammenhängt. Im Verdacht steht vor allem die sogenannte P.1-Variante der E484K-Mutation.

Sie ist gemäss einer kürzlich durchgeführten Studie um bis zu 2,2-mal leichter übertragbar – und sorgt somit für viele Neuansteckungen. In acht brasilianischen Bundesstaaten gehen mehr als die Hälfte aller Corona-Fälle auf «besorgniserregende Varianten» zurück. Das berichtete das nationale Gesundheitsforschungsinstitut Fiocruz am 4. März. In dieser Studie spielt die P.1-Variante eine grosse Rolle, aber auch die britische und die Südafrika-Variante wurden gefunden.

Allerdings gibt es, was die Mortalität anbelangt, auch in Brasilien noch keine harten wissenschaftlichen Daten. «Es ist möglich, dass diese neuen Varianten tödlicher sind, aber wir haben keine wissenschaftlichen Daten, die dies bestätigen», sagt Jesem Orellana, ein brasilianischer Epidemiologe, zu CNN. Man wisse einzig, dass insbesondere die P.1-Variante übertragbarer sei und dass sie in dieser zweiten Welle in Brasilien eine grosse Rolle spiele.

Auch in Brasilien schreitet das Impfprogramm zwar langsam, aber stetig voran. Weil vor allem ältere Menschen zuerst geimpft werden, könnte das die Fall- und Todeszahlen verzerren.

Regierung geht nicht geschlossen gegen Ausbreitung vor

Erschwerend kommt hinzu, dass in Brasilien die Regierung nicht geschlossen gegen eine weitere Ausbreitung des Virus vorgeht. Staatspräsident Jair Bolsonaro hält das Virus für einen gewöhnlichen Schnupfen. Seine Anhänger glauben ihm diese Verharmlosung und leben so, als gäbe es kein Coronavirus. Wissenschaftler befürchten, dass bei einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus immer wieder neue Mutationen oder Varianten entstehen, welche die Bekämpfung des Virus zusätzlich erschweren.

Über 12 Millionen Menschen haben sich in Brasilien mit dem Virus infiziert. Nach den USA ist Brasilien damit das Land mit der höchsten Zahl von an Covid-19 Erkrankten. Bislang sind fast 300'000 Menschen am Coronavirus gestorben. (fr)

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