Sowjets hatten fast 50 Labore
Wie gross ist Putins Biowaffen-Arsenal wirklich?

Eigentlich ist der Besitz und Einsatz von Biowaffen verboten. Doch es ist sehr wahrscheinlich, dass Russland trotzdem über gefährliche Erreger und Gifte verfügt. Warum das so ist, erklärt ETH-Experte Stephen Herzog.
Publiziert: 02.05.2022 um 18:20 Uhr
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Kreml-Chef Putin führt gegen die Ukraine Krieg. Und seine Truppen greifen sogar zivile Gebäude an. Hier mit General Waleri Gerassimow.
Foto: imago images/SNA

Der Ukraine-Krieg dauert schon mehr als zwei Monate. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Kreml-Chef Wladimir Putin (69) bleibt dabei: Er will die Ukraine einnehmen. Dafür könnte er auch zum Äussersten greifen und im Kampf gegen den ukrainischen Widerstand Biowaffen einsetzen.

Also Bakterien, Viren oder Gifte, um die Bevölkerung krankzumachen. «Manchmal können auch Pilze und Insekten eingesetzt werden», sagt Stephen Herzog, Experte für nukleare Rüstungskontrolle am Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich, zur «Aargauer Zeitung».

Sowjetunion hatte mehrere Biowaffen-Labore

Bereits im März hatte die Nato Russland davor gewarnt, in der Ukraine Biowaffen einzusetzen. Bündnis-Generalsekretär Jens Stoltenberg (63) sagte damals, dass dies sonst eine Verletzung internationaler Übereinkommen bedeuten würde. Tatsächlich sind die Herstellung und der Einsatz von Biowaffen verboten. Nur überprüfen lässt sich dies schwer.

Herzog zur «Aargauer Zeitung»: «Viele Geheimdienste der Nato-Staaten gehen deshalb heute davon aus, dass Russland immer noch ein Programm zur offensiven biologischen Kriegsführung unterhält.»

Dafür spricht besonders, dass die ehemalige Sowjetunion ein solches Programm hatte. So wurde an Pocken, der Pest und weiteren Erregern geforscht, um daraus Waffen zu machen. «1998 erklärte einer der ehemaligen leitenden Wissenschafter für biologische Kriegsführung der UdSSR, dass die Sowjets zahllose Stränge antibiotikaresistenter Krankheitserreger perfektioniert hätten und über das ausgeklügelteste Programm zur biologischen Kriegsführung der Welt verfügten», führt der ETH-Experte dazu aus.

Putins Truppen schrecken vor nichts zurück

Zwar wurden nach einem Abkommen mit den USA und Grossbritannien im Jahr 1992 49 solcher Biowaffenanlagen in Russland geschlossen. Was danach passierte, ist aber unklar. Stephen Herzog ist davon überzeugt, dass das Wissen aus diesen Jahren nicht verloren gegangen ist.

Dass Putin tatsächlich Biowaffen in der Ukraine einsetzt, glaubt Herzog erstmal nicht. Schliesslich könne die russische Armee mit Bomben und Raketen gerade mehr Schaden anrichten, um Gebiete zu erobern.

Allerdings habe es sich im Laufe des Krieges gezeigt, dass Putins Truppen vor nichts zurückschrecken. So seien schon Schulen und Spitäler angegriffen worden. Und: «Die Angriffe umfassen den potenziellen Einsatz von Horrorwaffen wie Vakuumbomben und chemischen Waffen sowie den bestätigten Einsatz von Hyperschallraketen, Streubomben und weisser Phosphormunition.»

Russen fürchten sich, weil sie selber Labore haben

Gleichzeitig hat Russland mehrfach der Ukraine vorgeworfen, gemeinsam mit den USA geheime Biowaffen-Labore zu betreiben. Die Ukraine und die USA haben das immer als haltlos zurückgewiesen. Bündnis-Generalsekretär Stoltenberg hatte den Vorwurf als «absurd» bezeichnet.

Tatsächlich könnte sich hinter den Anschuldigungen nicht nur reine Propaganda verstecken, meint der ETH-Experte. Es könnte sich um eine «Spiegelung» handeln. Bedeutet: Weil die russische Armee selbst über Biowaffen-Labore verfügen, geht der Kreml davon aus, dass die Ukraine ebenso Labore betreibt.

Was bleibt, ist die Angst. Insbesondere in der Ukraine. (jmh/AFP)

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