Lange Autoschlangen bei Corona-Testorten, volle Intensivstationen und ein Lockdown: In Kalifornien wird die Corona-Pandemie immer schlimmer! Am Mittwoch vermeldete der Sonnenstaat an der US-Westküste einen neuen Rekord: 12'807 Neuinfektionen an nur einem Tag – so viele wie noch nie.
«Am Sonntag verzeichneten wir 9 Todesfälle, heute beklagen wir 115 Menschenleben», sagt Gouverneur Gavin Newsom (52) auf einer Pressekonferenz in Sacramento am Mittwoch. Diese Zahl diene als weitere Erinnerung, welche Auswirkungen dieses Virus auf die Bevölkerung habe. «Wenn ich denn wirklich immer noch jemanden daran erinnern muss», fügt Newsom mit ernster Miene hinzu.
Was ihn besonders ärgern und zugleich sorgen dürfte: Sein Bundesstaat hat am Mittwoch nicht nur einen neuen Corona-Rekord aufgestellt, sondern auch New York im landesweiten Vergleich überholt. Kalifornien hat mittlerweile 417'000 Fälle zu beklagen, während das frühere amerikanische Epizentrum der Pandemie knapp über 400'000 zählt.
Lage in Los Angeles alarmierend
Besonders schlimm betroffen ist die Stadt Los Angeles. Mehr als ein Drittel der Fälle gehen auf diesen Bezirk zurück. Die Zahl der Neuinfektionen hat sich in den vergangenen 30 Tagen mehr als verdoppelt, sagt die Corona-Ärztin des Bezirks Los Angeles, Barbara Ferrer, am Mittwoch.
«Diese Woche könnte ein Wendepunkt sein», warnt sie. «Covid-19 ist auf dem besten Weg, im Bezirk Los Angeles mehr Menschenleben zu fordern als jede andere Krankheit – abgesehen von der koronaren Herzkrankheit.» Ferrer untermauert ihre Aussage mit einem Vergleich zur Grippesaison im vergangenen Jahr. «In den ersten sechs Monaten im Jahr 2020 tötete das neuartige Coronavirus doppelt so viele Menschen in der Region, wie die Grippe in acht Monaten 2019.»
Die Intensivstationen sind voll, freie Betten gibt es immer weniger. Derzeit habe man zwar noch genügend Plätze, sagt Christina Ghaly, Gesundheitsdirektorin von Los Angeles. Aber: «Wenn die Zahlen weiter ansteigen, werden wir mehr Betten auf der Intensivstation benötigen.» Das grösste Problem sieht sie beim Gesundheitspersonal, das schon seit Monaten Überstunden leistet. «Ein zusätzliches Bett auf der Intensivstation bringt einen zusätzlichen Personalaufwand mit sich», erklärt sie.
Gouverneur Newsom in der Kritik
Kalifornien hat bereits vergangene Woche auf die Zuspitzung der Lage reagiert. Gouverneur Gavin Newsom hat an der Zeit gedreht und seinen Bundesstaat quasi zwei Monate zurück in die Vergangenheit versetzt – in den Total-Lockdown. Bars und Kinos mussten wieder schliessen. In Los Angeles und 29 weiteren Bezirken mussten auch Kirchen, Fitnessstudios und Einkaufszentren ihren Betrieb wieder einstellen. Lediglich Restaurants dürfen derzeit noch geöffnet bleiben. Allerdings nur, wenn sie ihre Gäste in einem Aussenbereich bewirten können.
Dass ausgerechnet Kalifornien nun zum Corona-Epizentrum des Landes wurde, überrascht. Der Bundesstaat galt zu Beginn der Pandemie als Musterschüler und wies vergleichsweise geringe Fallzahlen auf. Gouverneur Newsom hatte früh reagiert und Mitte März einen flächendeckenden Lockdown beschlossen, den er allerdings im Mai und Juni auf grossen Druck hin wieder aufweichte. Zu schnell, wie nun einige Experten anprangern.
Newsom, der in die Kritik geraten ist, rechtfertigte sich am Mittwoch. Kalifornien sei so gross wie 21 Bundesstaaten zusammen, sagte er. «Es ist nicht überraschend, dass wir nun New York an der Spitze abgelöst haben.»