«Packt eure Handys in Alufolie ein!»
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Grossaufmarsch gegen Regeln:Europas Corona-Gegner versammeln sich in Berlin

Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo und Attila Hildmann nehmen an Corona-Demo in Berlin teil
«Packt eure Handys in Alufolie ein!»

Weil sie Verschwörungstheoretikern und Rechten keine Plattform geben will, wollte die Berliner Regierung die für Samstag geplante Anti-Corona-Demo verbieten. Ein Gericht schob dem Verbot den Riegel vor.
Publiziert: 28.08.2020 um 20:42 Uhr
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Aktualisiert: 18.11.2020 um 14:27 Uhr
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Entertainer Xavier Naidoo hat einen absurden Tipp für seine Anhänger.
Foto: Twitter

Berlin rüstete sich schon für Krawall. Weil der Innensenator eine für Samstag geplante Grossdemo gegen die Corona-Politik verboten hatte, wurde die Hauptstadtpolizei mit Anmeldungen für Protestzüge und Kundgebungen überschüttet. Mehr als 1000 Anmeldungen gingen ein.

Nun darf die Grossdemo offenbar doch stattfinden. Das Verbot der Demonstration von Gegnern der Corona-Massnahmen ist vom Berliner Verwaltungsgericht für ungültig erklärt worden. Die Veranstaltung am Samstag könne unter Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstands stattfinden, sagte ein Gerichtssprecher.

Viele Protestwillige wollten sich ohnehin nicht vom Verbot abhalten lassen – darunter auch der für seine Verschwörungstheorien bekannte «Söhne Mannheims»-Sänger Xavier Naidoo (48). Über den Messaging-Dienst Telegram rief er zur illegalen Demo in Berlin auf – und hat einen absurden Tipp für seine Anhänger: «Für alle, die nach Berlin fahren: Handy aus 100 Kilometer vor Berlin und in Alufolie packen, bitte.» Sonst würden «die Signale gezählt» und Protestwillige durch Strassensperren an der Demo-Teilnahme gehindert. Eindringlich appelliert der Entertainer: «Handy nur ausschalten reicht nicht! Alufolie ist wichtig! Oder eine gute Blechdose. Vorher testen!»

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Demonstranten ignorierten am 1. August die Corona-Regeln

Der Mythos der angeblichen Strassensperren bezieht sich auf die längst widerlegte hohe Zahl an Teilnehmern einer Demo am 1. August in Berlin. In den sozialen Netzwerken wurde angeblich über 1,3 Millionen Teilnehmer gesprochen – zum «Beweis» wurden unter anderem Fotos der Zürcher Street Parade verwendet. Nach Angaben der Polizei waren es maximal 20'000 Teilnehmer.

Weil die Teilnehmer der von der Stuttgarter Initiative «Querdenken 711» organisierten Grossdemo die Corona-Regeln nicht einhalten, wollte SPD-Innensenator Andreas Geisel (54) der geplanten Grossveranstaltung am Mittwoch den Riegel vorschieben. Die letzte ähnliche Demonstration am 1. August habe gezeigt, dass Demonstranten «sich bewusst über bestehende Hygieneregeln und entsprechende Auflagen» hinweggesetzt hätten.

Kabarettist Schroeder findet Teil der Begründung «fatal»

Für Kritik über die politischen Lager hinweg sorgt aber noch ein anderer Satz von Geisel: «Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird.»

Der Kabarettist Florian Schroeder – kein Fan der Corona-Leugner – findet das daneben: «Dass Innensenator Geisel sagt, Berlin sei keine Bühne für Corona-Leugner und Rechtsextremisten, ist natürlich ein fatales Verfassungsverständnis.» Eine Stadt sei «natürlich» auch eine Bühne für Stücke, die einem nicht gefallen. Ein Verbot auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes finde er dagegen gerechtfertigt.

Gefährdung vieler Menschen

Unterstützung bekam der SPD-Politiker Geisel hingegen unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (65). Sie betonte die geplante Demo-Absage aus Gründen des Infektionsschutzes. «Dass Berlin natürlich auch sehr viel Wert darauf legt, dass auch Demonstrationen Hygienevorschriften unterliegen, ist klar. Also: Respekt dafür.»

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (55) verteidigt laut «ntv» das Vorgehen. Wenn schon von vornherein angekündigt werde, Corona-Regeln nicht zu achten, dann sei das von vornherein eine Gefährdung vieler Menschen, sagte Müller. Das gelte nicht nur für die Teilnehmer selbst.

«Die Demonstranten gehen zurück, sie fahren mit dem ÖPNV nach Hause, sie gehen an den Arbeitsplatz, sie gehen in die Familie. Und überall bei diesen Kontakten gefährden sie wieder andere», sagte der SPD-Politiker. «Und sie senden ein Signal aus, dass nicht wichtig ist, was im Zusammenhang mit der Pandemie beschlossen wird. Das können wir so nicht akzeptieren.»

«Sie werden Beruhigungsmittel ins Wasser kippen»

Neben Xavier Naidoo rief auch der bekannte Fernsehkoch Attila Hildmann (39) zum Gesetzesbruch auf. Auf Instagram schreibt er: «29.8. ist der Tag der Entscheidung! Alle müssen nach Berlin kommen!» Hildmann versteigt sich in wirre Behauptungen: «Danach werden sie Beruhigungsmittel ins Wasser kippen, Militär einsetzen, Anschläge verüben (Atommeiler hochjagen wie Brockdorf), Drohnen einsetzen, Lockdown ausrufen, Todesspritze verordnen, Deutschland in 5km Sektoren unterteilen, Supermärkte schließen, Lebensmittel verknappen, Menschen hungern lassen, Ausgangssperren verordnen, Konzentrationslager für Corona positive errichten, euch eure Kinder wegnehmen und ihr Blut abzapfen.»

Keine «unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit»

Der Gerichtsbeschluss, der das Demoverbot aufhebt, ist Stand Freitagmittag noch nicht rechtskräftig. Das Land Berlin wolle das Oberverwaltungsgericht anrufen, wie Polizeipräsidentin Barbara Slowik kurz vor Bekanntgabe der Entscheidung für den Fall einer juristischen Niederlage in erster Instanz bekräftigt hatte.

Das Verwaltungsgericht Berlin begründete seine Entscheidung nach Angaben des Sprechers nun damit, dass keine Voraussetzungen für ein Verbot vorlägen. Es gebe keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Veranstalter hätten ein Hygienekonzept vorgelegt. (kin)

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