Das Massaker von Butscha ist auch Wochen nach der Aufdeckung unerträglich. Hunderte ukrainische Zivilisten lagen nach dem Abzug der russischen Soldaten tot auf der Strasse. Die meisten von ihnen wurden erschossen. Die Horror-Taten machen fassungslos.
Einheimische haben auch Wochen nach dem Abzug der Truppen noch mit den Geschehnissen zu kämpfen. Das berichten zwei Journalisten, die vor kurzem das Gebiet besucht haben, in der deutschen Zeitschrift «SuperIllu». Zwei Frauen aus dem Dorf Andriiwka nahe Butscha erzählen, die russischen Soldaten hätten nach der Ankunft alle Häuser auf Männer in wehrfähigem Alter durchsucht. Ein junger Mann habe dabei noch seine alte Militäruniform bei sich gehabt. Er wurde in seinem Garten erschossen.
Amnesty prangert Kriegsverbrechen an
Vor allem die Soldaten aus dem Osten Russlands seien für ihre Grausamkeit bekannt, erzählen die Einheimischen. Sie seien unter Drogen und Alkohol gestanden und hätten gesagt, dass sie die Einheimischen «in die Sowjetunion zurückbringen» wollen. Die Antwort der Einheimischen sei einfach gewesen: «Uns ging es gut ohne euch. Wir hatten ein ruhiges Leben. Wir brauchen euch nicht.»
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International prangert in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Bericht russische Kriegsverbrechen an. Sie dokumentierte mehr als 40 durch Luftangriffe getötete Zivilisten in Borodjanka und 22 Fälle von gesetzeswidrigen Tötungen in und bei Butscha.
«Wir wissen, dass die Verbrechen gegen die in der Umgebung von Kiew lebenden Menschen nicht nur zufällig oder unbeabsichtigt waren», sagte die Generalsekretärin der Organisation, Agnès Callamard. Es seien vielmehr bewusste Entscheidungen gewesen. Die verübten Verbrechen seien inakzeptabel und unterlägen keiner Logik.
Leichengeruch über Borodjanka
Einige der Butscha-Schlächter hätten sich aber auch von ihrer menschlichen Seite gezeigt, berichten die beiden Frauen. Etwa ein 19-jähriger Soldat, der bei den Frauen um Essen bettelte, weil er nichts hatte. Er habe die Wahl gehabt, ins Gefängnis oder in die Armee zu gehen, berichten die beiden Frauen. Dass er in den Krieg müsse, habe er nicht gewusst.
Auch in der Stadt Borodjanka wüteten russische Truppen mit unfassbarer Grausamkeit. Die Stadt ist nach der Bombardierung durch die Russen völlig zerstört, noch immer dauern die Aufräumarbeiten an. «Leichengeruch hängt über der Stadt», schreiben die Reporter.
Angst vor Rückkehr bleibt
Vielen Bewohnern der kleinen Städte fehlt es an Wasser und Strom. Aber nicht alle haben genug zu essen. Im Dörfchen Fenewytschi nördlich von Kiew erleben die Reporter das lange Anstehen um Lebensmittel. Helfer verteilen aus privaten Autos heraus Lebensmittel. «Die Verzweiflung ist den Menschen, die versuchen, etwas zu ergattern, ins Gesicht geschrieben.»
Nach dem Abzug der russischen Truppen ist immerhin wieder etwas Ruhe eingekehrt. Doch die Angst vor einer Rückkehr der Schlächter bleibt bestehen. (zis)