Sie bringen den Russen den Krieg ins Wohnzimmer
Darum kann Putin die Anonymous-Hacker nie stoppen

Das Hacker-Kollektiv Anonymous fügt Wladimir Putin seit Wochen eine Schmach nach der anderen zu. Ein Sicherheits-Experte erklärt, warum das nicht aufhören wird. Und warum die Hacker ein Problem für den Rest der Welt werden könnten.
Publiziert: 06.04.2022 um 13:03 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2022 um 15:14 Uhr
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Die Hacker von Anonymous torpedieren mit ihren Hacks seit Wochen Putins Kriegs-Propaganda.
Foto: DUKAS

Seit Wladimir Putin (69) die Ukraine angegriffen hat, hat er praktisch die ganze Welt zum Feind. Dazu gehören aber nicht nur souveräne Staaten, Organisationen und Firmen, sondern auch Kriminelle. Besonders das Hacker-Kollektiv Anonymous lässt seit Kriegsbeginn keine Gelegenheit aus, sich auf die ukrainische Seite zu stellen.

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Und ihre Aktionen treffen Putin dort, wo es ihm am meisten wehtut: zu Hause in Russland.

Niemand ist vor den Hackern sicher

Die Erfolge der Hacker in den vergangenen Wochen sind beachtlich. Sie drangen ins russische Staats-TV ein und zeigten blutige, reale Bilder aus dem Ukraine-Krieg, die Russen sonst nicht sehen. Putin versucht seit Beginn der Invasion, seinen Landsleuten das Bild einer relativ reibungslos ablaufenden Operation zu verkaufen, mit einigen widerspenstigen Militärs, aber dem Rückhalt des ukrainischen Volkes, das befreit werden wolle. Alles, was mit der brutalen Realität zu tun hat, wird darum rigoros zensiert. Anonymous hat den Spiess umgedreht.

Damit gaben sich die Hacker aber noch lange nicht zufrieden. Diese Woche veröffentlichten sie die Namen russischer Soldaten, die in der Ukraine stationiert sind:

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Zudem werden Grossbetriebe, die weiterhin in und mit Russland Geschäfte machen, attackiert. Darunter soll auch der Nahrungsmittelkonzern Nestlé sein, der den Cyber-Angriff allerdings bestreitet. Andere Firmen aber verabschiedeten sich aus Russland, nachdem sie von Anonymous angezählt wurden.

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Zu diesen gehört etwa der Schweizer Sanitärtechnik-Konzern Geberit:

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Keine Macht der Zensur

Doch der Hauptfokus der Hacker bleiben russische Organisationen. Gazprom, Webseiten der Regierung, TV- und Internet-Anbieter, selbst Datenbanken vom Kontrollzentrum der russischen Raumfahrt-Agentur Rocosmos wurden ebenfalls erfolgreich angegriffen. Und kürzlich auch die staatliche Organisation Roskomnadzor.

Der Betrieb ist für die Zensur russischer Medien verantwortlich, sorgt also dafür, dass unvorteilhafte Berichte und Bilder nicht an die Öffentlichkeit gelangen. «Hier konnten wir feststellen, dass 360'000 Dateien angegriffen und veröffentlicht wurden», sagt der Security-Experte Jeremiah Fowler nun zu «Focus». Er hat die Angriffe von Anonymous analysiert und ist überzeugt: «Noch viele weitere werden folgen.»

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Den Hacks kann sich niemand entziehen

Dabei dürfte man im Kreml schon heute toben, dass Anonymous nicht nur die angeblich so starken russischen Hacker ein ums andere Mal wie Schulbuben aussehen lässt, sondern auf diversen Wegen die russische Autorität untergräbt und revolutionären Gedanken im Land Nahrung gibt.

«Wenn Kunden in einigen russischen Supermärkten beispielsweise ihr Gemüse zum Scannen auf die Waage legten, wurden ihnen statt Gewicht und Preis pro-ukrainische Slogans ausgedruckt», sagt Fowler. Solche Aktionen habe es noch nie zuvor gegeben. Zudem sei es Anonymous erst kürzlich gelungen, in 100'000 russische Drucker einzudringen – die dann Anti-Putin-Botschaften produzierten.

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Ohne Struktur, ohne Hierarchie – Putin fehlt ein Feindbild

Was Anonymous geschafft habe, sei beachtlich, so der Gründer einer Cyber-Sicherheitsfirma. Und noch vor wenigen Wochen undenkbar gewesen. «Früher wurden Webseiten von Hackern oft einfach nur digital überflutet und dadurch brachen sie zusammen – Low-Tech würde man das nennen. Nun würden sie innovative Tools benutzen, mit denen Webseiten nicht nur zum Stillstand gebracht, sondern deren Inhalt auf den Kopf gestellt wird. «Das ist sensationell», bilanziert Fowler.

Das Problem für Putin und seine Schergen: Er kann nicht eine Person mit bewährten KGB-Methoden wie Giftanschlägen ausschalten und glauben, dass die Hacks dann vorbei sei. Denn niemand weiss, wer hinter den Aktionen steckt. Das Kollektiv ist deshalb so erfolgreich, weil es völlig dezentral aufgestellt ist. Es gibt keine Führung, keine Mitgliederstruktur, keine Hierarchie. Die einstigen Gründer spielen schon lange keine Rolle mehr, einige kamen schon vor Jahren ins Gefängnis, ohne dass Anonymous daran zerbrochen wäre. Jeder kann mitmachen, mithacken, so lange und so oft er oder sie will. Selbst wenn es Putin gelingen würde, einige der Mitglieder aufzuspüren und auszuschalten, würde ihm das daher kaum etwas nützen.

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Nach dem Krieg ein Problem für den Rest der Welt?

Für Fowler ist darum klar: «Sie werden immer weiter machen. Sie werden alle Firmen angreifen, die noch in Russland tätig sind.» Es gebe auch noch einige internationale Betriebe, die dort nach wie vor Geschäfte machen – Pharma-Unternehmen beispielsweise. Der Security-Experte geht davon aus, dass diesen Firmen «bald viel ernstere Probleme drohen als ein paar negative Presseberichte.»

Doch auch wenn Putins Feinde die Hacker derzeit feiern: Es sind immer noch Menschen, die sich ausserhalb des Gesetzes bewegen. Die unkontrolliert angreifen, worauf sie gerade Lust haben. Was dem Kreml derzeit zum Nachteil gereicht, könnte nach Kriegsende auch unzähligen anderen Staaten und Unternehmen passieren. Fowler warnt: «In der Zukunft können derartige Aktionen natürlich jederzeit und in allen nur denkbaren Bereichen erneut eingesetzt werden: in Banken, in Geschäften, in allen möglichen Einrichtungen – und zwar absolut überall auf der Welt. Da gibt es jetzt kein Zurück mehr.» (vof)

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