Selenskis Ex-Berater warnt vor Diskriminierung russischsprachiger Ukrainer
«Kiew ist eine russischsprachige Stadt»

Russisch ist in den Augen der Ukrainer die Sprache der Besatzer. Für viele Ukrainer ist es aber auch die Muttersprache – das führt zu Konflikten. Selenskis Ex-Berater Oleksij Arestowytsch warnt davor, dass die Unterstützung des Westens auf dem Spiel steht.
Publiziert: 10.05.2023 um 20:06 Uhr
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«Warum muss mein Enkel einem russisch sprechenden Grischa mit seiner kleinen Faust die ukrainische Sprache beibringen?», fragt Ex-Abgeordnete Iryna Farion.
Foto: Telegram
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Jenny WagnerRedaktorin News

«Wir leben auf ukrainischem Boden, wir essen ukrainisches Brot, also sprechen wir Ukrainisch, nicht die Sprache der Besatzer!», steht vor einem Lokal in Kiew. Das Problem: Viele Ukrainer sprechen ihr Leben lang Russisch. Das führt zur Spaltung der Nation. Der ehemalige Berater von Wolodimir Selenski (45), Oleksij Arestowytsch (47) warnt vor der Diskriminierung russischsprachiger Ukrainer. «Kiew ist eine russischsprachige Stadt», sagt er.

Obwohl spätestens seit der russischen Invasion viele Ukrainer auf Russisch verzichten, gibt es auch diejenigen, die völlig ohne die ukrainische Sprache aufgewachsen sind. Von Ultra-Nationalisten werden sie als Moskauer bezeichnet.

«Die Moskauer müssen vernichtet werden», sagte die ehemalige ukrainische Abgeordnete Irina Farion (59). Sie erzählte in einem Video, dass ihr dreijähriger Enkel im Kindergarten Kinder schlägt, die auf Russisch reden. «Warum muss mein Dimitri einem russisch sprechenden Grischa mit seiner kleinen Faust die ukrainische Sprache beibringen?», fragt sie.

Eltern, die ihren Kindern Russisch beibringen, sollen abhauen

Mit Moskauer meint die Ex-Politikerin nicht nur Russen, sondern auch Ukrainer, die Russisch sprechen. Meistens handelt es sich um Flüchtlinge aus der Ostukraine, die ihr ganzes Leben lang Russisch gesprochen haben.

Farion hatte auch in der Vergangenheit russischsprachige Ukrainer als «Tiere» und «Biomüll» bezeichnet. Eltern, die ihren Kindern Russisch beibringen, sollen sich nach der Ansicht von Farion «auf einen Panzer mit den Buchstaben Z oder V setzen und verschwinden». Solche Aussagen sind kein Einzelfall.

Russisch ist für viele Ukrainer Muttersprache

Ein Lehrer aus Irpin erntete Kritik, weil er in der Pause Russisch sprach. «Wenn jemand, der auf Ukrainisch unterrichtet, in der Pause auf Russisch wechselt, demonstriert er oder sie den Kindern tatsächlich seine skeptische, verächtliche Haltung gegenüber dem Staat», kommentierte der Bildungsminister Oksen Lisovyi (50).

Dass in der Ukraine eine Abneigung gegenüber der russischen Sprache besteht, ist nachvollziehbar. Die Realität zeigt aber: Viele Ukrainer können kein Ukrainisch.

Arestowytsch sieht in der «Diskriminierung russischsprachiger Ukrainer» ein grosses Problem. In einem Interview mit dem ukrainischen Moderator Wassili Golowanow (40) sagt er, dass Farions Aussagen unter drei Artikel des Strafgesetzbuchs fallen, doch die Regierung in Kiew reagiert nicht. «Alle warten auf eine Reaktion der Regierung», so der Politiker.

Arestowytsch sieht westliche Unterstützung in Gefahr

Dass solche Fälle ungestraft bleiben, führt zu der Annahme, dass die Aktionen akzeptiert werden. «Und dann sagen einige Staatsmänner: ‹Lasst uns alle Russen umbringen›», fährt Arestowytsch fort. Damit spielt er auf die Aussage des ukrainischen Geheimdienstchefs Kyrylo Budanow (37) an. Er sagte vor wenigen Tagen erst: «Wir haben Russen getötet und wir werden bis zum vollständigen Sieg der Ukraine weiterhin überall auf der Welt Russen töten.» Solche Sätze würden die Diskriminierung russischsprachiger Ukrainer nur verstärken.

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Arestowytsch fordert die ukrainische Regierung zum Handeln auf. «Unsere westlichen Unterstützer und auch alle normalen Menschen nehmen solche Aussagen als Grausamkeit wahr», mahnt Arestowytsch, der noch immer zuständig für strategische Kommunikation im Bereich der nationalen Sicherheit und Verteidigung in der Ukraine ist. Das Schweigen der Politiker sei fatal. Arestowytsch findet: «Das richtige Signal wäre es, die Menschen für solche Aussagen zu bestrafen.»

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